Autoverband: Dieseltechnik unverzichtbar
Berlin: (hib/STU) Die deutsche Automobilindustrie hält die Dieseltechnologie „mindestens mittelfristig“ für unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. Das betonte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, am späten Donnerstagabend im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Wissmann verwies auf den im Vergleich zum Diesel um 10 bis 15 Prozent höheren Ausstoß des Klimagases CO2 von Ottomotoren. Es werde aber insbesondere bei kleineren Fahrzeugen in den nächsten zehn Jahren immer schwerer, die „Dieselpopulation“ für die Kunden bezahlbar zu halten, sagte Wissmann voraus.
Der VW-Skandal kam für Wissmann im September 2015 „absolut überraschend und ohne Vorwarnung“. Dass es eine illegale Software zum Abschalten der Abgasreinigung gebe, sei ihm weder bekannt gewesen, noch habe er Signale in diese Richtung gehabt. Die Affäre habe ihn persönlich zentral getroffen, weil er sich seit 2007 als VDA-Präsident bemühe, Vertrauen für die Autoindustrie zu schaffen. Manipulationen wie im Fall VW widersprächen dem Selbstverständnis der Branche. Der VDA war laut Wissmann nicht an der vom Verkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission beteiligt.
Einfluss versuchte der VDA dagegen bei den Regelungen für den künftigen Testzyklus RDE (Real Driving Emissions) zu nehmen. Für diese Straßentests standen kurz nach Bekanntwerden des VW-Skandals auf europäischer Ebene die Schlussverhandlungen für die Grenzwerte an. Der VDA setzte sich für einen Faktor von 3,5 in einer ersten Stufe und eine weitere Stufe nach fünf Jahren ein. Vereinbart wurden letztlich ein Faktor von 2,1 ab Herbst 2017 und 1,5 ab 2020. Das bedeutet, dass der Grenzwert für Stickoxid im realen Fahrbetrieb dann um 50 Prozent überschritten werden darf. Wissmann bezeichnete die Vorgaben als „wahnsinnig hart“, aber „noch machbar“.
Der Ausschuss tagte insgesamt fast 15 Stunden. Acht Zeugen wurden befragt, allen voran der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn. Letzter Zeuge war Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden. Der frühere Staatsminister im Kanzleramt beklagte immer kürzere Vorlaufzeiten neuer Vorgaben aus der EU. Es gebe eine Asynchronität zwischen Entwicklung und Produktion einerseits sowie immer kürzer werdender europäischer Gesetzgebung. Bei der RDE-Gesetzgebung hatte Daimler wie auch der VDA die Sorge, dass die Vorstellungen der EU-Kommission nicht zu erfüllen seien. Deshalb hatte sich der Konzern mit einem Schreiben auch ans Kanzleramt gewandt.
Zuvor hatte der Ausschuss am Abend einen Vertreter von Opel geladen. Der Rüsselsheimer Hersteller war bei den Tests der Untersuchungskommission durch eine besonders weitgehende Nutzung sogenannter Thermofenster aufgefallen. So wurde bei einem Modell die Abgasreinigung bereits bei weniger als 17 Grad Celsius reduziert. Der Leiter für Fragen der Typgenehmigung, Andreas Dindorf, erklärte, dass dies rechtlich nicht angreifbar sei, räumte aber ein, dass die entsprechende EU-Verordnung von 2007 „sehr unpräzise“ sei. Demnach muss die Abgasnachbehandlung bei „normalen“ Betriebszuständen funktionieren, kann aber aus Gründen des Motorschutzes abgeschaltet werden. Wie andere Hersteller hatte sich Opel freiwillig zur Nachrüstung bereiterklärt.
Auch der Motorenexperte Georg Wachtmeister fand, dass die EU-Vorschrift „schwammig“ formuliert ist. Sie sei „ein großes Scheunentor“, sagte der Münchner Professor. Wachtmeister war Mitglied der Untersuchungskommission. Er verteidigte, dass das Verkehrsministerium und Kraftfahrt-Bundesamt abgesehen von VW nicht zu Nachrüstungen gezwungen habe, sondern auf Freiwilligkeit setzte. Rechtlich hätte man wohl nicht gegen die Hersteller gewonnen, sie aber „ein bisschen bei der Ehre gepackt“.
Im Fall Opel erklärte Wachtmeister, der dort verwendete SCR-Kat, der mittels Harnstofflösung Stickoxide neutralisiert, sei zu klein geraten. Opel-Vertreter Dindorf entgegnete, dies sei widerlegt. Die Existenz von illegalen Abschalteinrichtungen wie im Fall VW war dem Experten unbekannt. „Um Gottes Willen, was machen die da“, habe er gedacht.
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