Lockerung des Medienverbots im Disput
Berlin: (hib/MWO) Der Entwurf eines Gesetzes über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (BT-Drucksache 18/10144) war am Mittwochabend Thema einer Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages. Die Mitglieder des Gremiums wollten von sieben Sachverständigen aus Theorie und Praxis wissen, wie diese den Entwurf einschätzen. Die Bundesregierung will mit dem Gesetz eine „moderate Lockerung“ des bisherigen Verbots der Medienübertragung aus der Gerichtsverhandlung erreichen. Außerdem werden Verbesserungen für Personen mit Sprach- und Hörbehinderungen in gerichtlichen Verfahren angestrebt.
In ihren Stellungnahmen äußerten die Experten überwiegend Zustimmung zu dem Entwurf, der im Dezember vergangenen Jahres in erster Lesung vom Bundestag beraten und an den Ausschuss verwiesen wurde. Vorgesehen ist unter anderem eine Änderung im Gerichtsverfassungsgesetz, mit der Tonübertragungen in einen Medienarbeitsraum ermöglicht werden sollen. Außerdem soll die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt werden können. Bei Verfahren mit herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung soll eine audio-visuelle Aufzeichnung der Gerichtsverhandlung ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke erlaubt werden.
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Hendrik Hoppenstedt (CDU, der die Sitzung leitete, sagte zu Beginn, mit der Anhörung wolle das Gremium dazu beitragen, „einen ordentlichen Gesetzentwurf zu einem guten Ende zu bringen“. Dabei gelte es, die Interessen einer sich verändernden Medienlandschaft und das Informationsbedürfnis der Bürger mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und dem Schutz von Opfern und Zeugen zu vereinbaren.
Für die Berufsgruppen der Richter und Verteidiger sprachen Ali B. Norouzi vom Deutschen Anwaltverein (DAV) und Jens Gnisa vom Deutschen Richterbund (DRB) und äußerten ihr grundlegendes Einverständnis mit dem Entwurf. Eine anfängliche Skepsis sei der Überzeugung gewichen, dass eine moderate Öffnung zugelassen werden könne, sagte Norouzi. Gnisa sagte, dass von einigen vorgebrachte „Dammbruchargument“ könne er nicht nachvollziehen. Bedenken hatte Gnisa allerdings bezüglich der Erlaubnis von Bild- und Tonaufnahmen zu zeithistorischen und wissenschaftlichen Zwecken. Diese würden die Prozessführung erschweren und die Wahrheitsfindung einschränken.
Aus Sicht des Richters am Bundesgerichtshof, Andreas Mosbacher, sind zeitgeschichtliche Aufnahmen sehr wichtig. Es müsse nur sichergestellt sein, dass jede rechtliche Nutzung der Filmaufnahmen ausgeschlossen ist. Für Übertragungen von Gerichtsentscheidungen fand Mosbacher klare Worte: „Eine selbstbewusste Justiz muss sich nicht verstecken.“ Viele Kollegen seien allerdings skeptischer als er, fügte er hinzu. Er, Mosbacher, glaube jedoch nicht, dass sich die Verfahren durch eine Öffnung ändern würden.
Heiner Alwart von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehnte den Entwurf kategorisch ab. Medienübertragungen aus dem Gerichtssaal dienten allein der Unterhaltung und dem Zeitvertreib und nutzten niemandem. In seiner Stellungnahme kommt der Professor zu dem Ergebnis, dass „die geplanten Änderungen allesamt von Grund auf verfehlt sind“. Der Entwurf sei unausgereift und gebe die Sache der Justiz banalen Bedürfnissen preis.
Dem widersprach Frank Bräutigam, Leiter der ARD-Rechtsredaktion des SWR. Er verwies auf das große Interesse der Öffentlichkeit an den Entscheidungen der obersten Bundesgerichte. Die Themen spielten mitten im Leben von hunderttausenden Menschen und seien gesellschaftlich hoch relevant. Mit der seit 1998 erlaubten Übertragung von Urteilen am Bundesverfassungsgericht habe die ARD sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit „Zirkus“ oder „Gerichtsshows“ habe das nichts zu tun. Wahrheitsfindung und Persönlichkeitsrechte würden nicht beeinträchtigt.
Dagegen hielt Reinhard Müller, verantwortlicher Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, eine Öffnung rechtlich nicht für geboten. Der Gesetzentwurf sei dem Zeitgeist geschuldet und referiere „völlig unkritisch“ den Medienwandel. Wichtiger als die schnelle Berichterstattung sei die Auslegung und Einordnung von Urteilen. Zudem bestehe die Gefahr, dass volksnäher geredet und populärer geurteilt werde.
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