1.500 Kinderehen in Deutschland
Berlin: (hib/JOH) Der Kampf gegen Kinderehen und Zwangsverheiratung ist nach Ansicht der Vorsitzenden von Plan International Deutschland, Maike Röttger, global eines der wichtigsten Themen für die Entwicklungspolitik. Weltweit gebe es derzeit rund 700 Millionen Frauen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet worden seien, sagte sie am Mittwochmorgen im Entwicklungsausschuss. Jede dritte von ihnen sei bei ihrer Heirat nicht einmal 15 Jahre alt gewesen. In Deutschland seien 1.500 Mädchen betroffen.
Die Zwangehe bedeute eine „drastische Missachtung ihrer Menschenrechte“, sagte Röttger. Die Mädchen dürften nach der Heirat oft nicht mehr die Schule besuchen. Gewalt, Vergewaltigung und frühe Schwangerschaften bestimmten ihren Alltag. Die Folgen zu früher Schwangerschaften seien bei Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren weltweit die häufigste Todesursache.
Röttger appellierte an die Bundesregierung, den Fokus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit noch stärker auf die Bildung von Frauen und Mädchen zu legen. Bildung sei der Schlüssel, Mädchen stark zu machen und vor Zwangsverheiratung und Kinderehen zu schützen. Den im April von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Kinderehen in Deutschland (18/12086), mit dem das Ehemündigkeitsalter im deutschen Recht ausnahmslos auf 18 Jahre festgelegt werden soll, bezeichnete Röttger ebenfalls als einen „wichtigen Baustein“. Allerdings kritisierte sie, dass vor Vollendung des 16. Lebensjahres geschlossene Ehen mit Inkrafttreten des Gesetzes unwirksam werden sollen. „Die Mädchen verlieren damit alle Versorgungsansprüche“, warnte Röttger. Eine solche Regelung sei nicht im Sinne der Betroffenen. Ähnliche Kritik an dem Entwurf kam aus den Reihen von CDU/CSU, Grünen und Linken.
Eine Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen verwies auf die besondere Situation syrischer Flüchtlinge. Nicht wenige Eltern würden ihre Töchter minderjährig verkaufen, in der Hoffnung, sie in Sicherheit zu bringen oder finanziell abzusichern. Die Linksfraktion fragte zudem nach den vielen Minderjährigen, die auf der Flucht nach Europa spurlos verschwunden seien.
Ein Vertreter der Unionsfraktion verwies darauf, dass ein Gesetz gegen Kinderehen in Deutschland nur ein Teil der Lösung sein könne. Entscheidender sei es, in den Herkunftsländern auf gesellschaftliche Veränderungen und ein Verbot von Kinderehen hinwirken. Aus der SPD hieß es, kleine Mädchen gehörten in die Schule und nicht in die Betten von Vergewaltigern. Wenn das neue Gesetz in Deutschland dazu führe, dass die Mädchen aus der Ehe geholt würden, stelle sich die Frage, wie sie danach langfristig unterstützt werden können.
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