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21.06.2017 Europa — Anhörung — hib 389/2017

Experten uneins über EU-Sozialpolitik

Berlin: (hib/JOH) Das von der EU-Kommission im April vorgelegte Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas hat am Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Europaauschusses gemischte Reaktionen bei Experten hervorgerufen. Während die einen begrüßten, dass die Europäische Union sich des Themas verstärkt annehme, da wirtschaftliche Rechte zunehmend Vorrang vor sozialen Rechten bekommen hätten, warnten andere vor einer Kompetenzübertragung auf die europäische Ebene und negativen Folgen. Sie sahen bei sozialpolitischen Entscheidungen in erster Linie die Nationalstaaten in der Verantwortung.

Nach Ansicht von Professor Eberhard Eichenhofer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena erinnert das Kommissionspapier an das der EU letztlich zugrunde liegende sozialpolitische Motiv, das schon der frühere britische Premierminister Winston Churchill 1946 in seiner Züricher Rede beschworen habe. Es sei gut, dass sich die EU dieser Zweckbestimmung versichere und vergewissere. Wenn nicht alle EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage handeln wollten, sei ein Europa der zwei Geschwindigkeiten immer noch besser, als nichts zu tun, befand er. „Das gemeinsame Handeln der Vielen ist besser als das Nichtstun aller.“

Frank Schmidt-Hullmann, Hauptabteilungsleiter Politik und Grundsatzfragen bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), kritisierte die zunehmende „Dominanz von Binnenmarktfreiheiten über soziale Regulierungen“ in der EU. Das sei in den Nationalstaaten anders. „Wenn wir Europa wieder sozial machen möchten, müssen wir es wieder so konditionieren, wie es in den einzelnen Staaten üblich ist“, betonte er. Wirtschaftliche Rechte dürften keinen Vorrang vor Menschenrechten haben.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, befand, dass die Zielsetzung einer stärkeren Konvergenz in der Europäischen Union „deutlich unter die Räder“ gekommen sei. Er begrüßte daher das Vorhaben der Kommission, eine europäische Säule sozialer Rechte zu schaffen, mit deren Hilfe faire und gut funktionierende Arbeitsmärkte und Sozialsysteme unterstützt werden sollen. Er warf ihr jedoch mit Blick auf die Austeritätspolitik in Griechenland und Eingriffe, etwa in das Streikrecht, widersprüchliches Handeln vor. Statt einer glaubhaften Strategie für das soziale Europa von morgen habe die Kommission eine reine Absichtserklärung vorgelegt. Dabei müsste der europäische „Spar-, Lohnsenkungs- und Deregulierungswettlauf“ dringend gestoppt werden.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), hielt den drei Sachverständigen entgegen, dass eine europäische Sozialpolitik nicht unbedingt effizienter sein müsse. „Eine weitere Verrechtlichung der Spielräume, die eine lebendige Sozialpartnerschaft ausfüllen können, ist kontraproduktiv“, urteilte er. Kampeter warf der Kommission eine „Überinterpretation der Verträge“ vor und sprach von dem Versuch, Souveränität auf die europäische Ebene zu transferieren. Sein Rat an die Abgeordneten: „Springen Sie nicht der Kommission bei, sondern verfolgen Sie vernünftige subsidiäre Ansätze.“

Auch der Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft, Professor Michael Eilfort, sah die vorrangige sozialpolitische Kompetenz bei den Mitgliedstaaten. Die Autonomie kleinerer Einheiten sei einer zentral administrierten und regulierten europäischen Sozialpolitik vorzuziehen, da es regional unterschiedliche Präferenzen gebe, betonte er. Außerdem könnten EU-weit einheitlich geregelte soziale Leistungen die Wettbewerbsfähigkeit wirtschaftlich schwächerer Regionen beeinträchtigen und sie ökonomisch überfordern.

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