Diskussion über Terrorabwehrzentrum
Berlin: (hib/wid) Der 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) hat in einer Sachverständigenanhörung die Rolle des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ) der Nachrichtendienste und Polizeien von Bund und Ländern erörtert. Dabei wurde die Frage, ob die Einrichtung einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedürfe, kontrovers diskutiert. Das GTAZ wurde 2004 zum Zweck des Informationsaustauschs gegründet. Im Laufe des Jahres 2016 befasste es sich sieben Mal mit dem späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri, gelangte aber bis zuletzt nicht zu der Einschätzung, dass von ihm eine unmittelbare Gefahr ausging.
Vor allem die Fachjuristen unter den zum Thema „Föderale Sicherheitsarchitektur“ geladenen Experten drängten auf eine solide Rechtsgrundlage für das GTAZ. Dass eine solche besondere Regulierung bislang fehle, sei „verfassungsrechtlich nicht tragbar“, sagte der Mainzer Staatsrechtler Matthias Bäcker. Angesichts der Intensität des Datenaustauschs, der im GTAZ stattfinde, sei ein „Kontrollmechanismus“ dringend geboten.
Der Kölner Strafrechtler Nikolaos Gazeas erklärte, ein GTAZ-Gesetz müsse mindestens die Aufgaben definieren, die die im Berliner Stadtteil Treptow angesiedelte Einrichtung zu erfüllen haben, ihre Struktur beschreiben und die beteiligten Behörden benennen. Überdies bedürfe es einer Ermächtigungsgrundlage für den Austausch von Daten sowie einer Regelung, wie die Fachaufsicht über das GTAZ zu führen sei.
Gazeas äußerte sein Befremden über den „vehementen“ Widerstand gegen eine solche gesetzliche Grundlage, den er vor allem von Praktikern aus Polizei und Nachrichtendiensten erfahre. Dabei gehe es überhaupt nicht darum, die Tätigkeit des GTAZ einzuschränken, sondern vielmehr, sie auf „verfassungsrechtlich validen Boden“ zu stellen. Genau das werde ihm aber nie geglaubt. Gatzeas zitierte aus einem Gespräch mit einem Nachrichtendienstler, der die Befürchtung geäußert habe, ein GTAZ-Gesetz werde seinen Aktionsradius einschränken. Auf den Hinweis, genau dies sei gar nicht beabsichtigt, habe der Mann erwidert: „Das kriegen die in Berlin sowieso nicht hin, ein Gesetz so zu formulieren, dass wir unsere Arbeit wie bisher machen können.“
Der frühere Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm wies darauf hin, das GTAZ sei nichts weiter als eine „Plattform“ für die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden. Ihr besonderer Wert bestehe darin, gemeinsam vorhandenes Wissen zusammenzuführen und für Analysen, Einschätzungen und Prognosen zu nutzen. Ein GTAZ-Gesetz, das lediglich die bisherige Praxis festschreibe, wäre „unproblematisch“, meinte Fromm: „Aber ob das gelingt, ohne dass es zu Friktionen kommt, ist zweifelhaft. Ich fürchte, dass, was bisher Gutes bewirkt wurde, in Teilen in Frage gestellt würde.“
Der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamtes Jürgen Maurer widersprach dem Eindruck, im GTAZ herrschten derzeit gesetzlose Verhältnisse. Es gebe eine klare Rechtsgrundlage, nämlich die bestehenden gesetzlichen Regelungen für die beteiligten Behörden. Der Bayreuther Staatsrechtler Heinrich Amadeus Wolff nannte es eine „falsche Vorstellung“, anzunehmen, das GTAZ sei selber eine Behörde. Es sei lediglich ein „Runder Tisch“, und eine gesetzliche Regelung müsse nicht mehr festlegen, als dass an diesem Runden Tisch Informationen ausgetauscht werden dürfen. Der Bonner Staatsrechtler Klaus Gärditz wies darauf hin, dass eine Ausgestaltung des GTAZ als Behörde dem grundgesetzlichen Verbot der Mischverwaltung von Bund und Ländern widerspräche.
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