Amri schon Ende 2015 auf BKA-Radar
Berlin: (hib/wid) Das Bundeskriminalamt (BKA) hat sich erstmals Ende 2015, ein Jahr vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz, im Zuge von Ermittlungen gegen eine mutmaßliche radikalislamische Terrorzelle in Deutschland mit dem späteren Attentäter Anis Amri befasst. Dies berichtete die damalige BKA-Verbindungsbeamtin in Rom Frauke Schlembach dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Schlembach war von Mai 2015 bis Mai 2018 in der italienischen Hauptstadt zuständig für Kontakte und Informationsaustausch mit den dortigen Polizeibehörden. In dieser Funktion leitete sie am 23. Dezember 2015 eine Anfrage des BKA zur Person Amris an die Italiener weiter.
Der gebürtige Tunesier Amri hatte zwischen Oktober 2011 und Mai 2015 wegen Brandstiftung, Gewaltdelikten und Diebstahls in italienischer Haft gesessen. Er hatte in der Flüchtlingsunterkunft, in der der nach seiner Einreise untergebracht war, nicht-muslimische Mitbewohner verprügelt und schließlich Feuer gelegt. Nach Darstellung der italienischen Behörden verhielt sich Amri auch hinter Gittern extrem aggressiv und terrorisierte seine Mitgefangenen. Er habe deswegen sogar in ein anderes Gefängnis verlegt werden müssen.
Nach Verbüßung der Haftstrafe sei er zunächst in Abschiebegewahrsam genommen, nach 30 Tagen aber wieder freigelassen worden, weil die tunesischen Behörden innerhalb dieser Frist keine Passersatzpapiere für ihn bereitstellten. Die Italiener markierten Amri im Schengen-Informations-System (SIS) als unerwünschten Ausländer, der an der EU-Außengrenze zurückzuweisen sei. Im Juli 2015 reiste Amri nach Deutschland ein.
Die Anfrage, die das BKA fünf Monate später an die italienischen Sicherheitsbehörden richtete, stand im Zusammenhang mit einem „Gefahrenabwehr-Vorgang“ unter dem Decknamen „Lacrima“. Die Operation richtete sich gegen eine Gruppe von Verdächtigen mit Verbindungen nach Italien, die konkreten Hinweisen zufolge in Deutschland einen Anschlag vorbereiteten. Amri tauchte in diesem Umfeld als Kontaktperson der Terrorzelle auf. Dass sein Hauptansprechpartner der 2013 nach Syrien ausgereiste deutsche IS-Terrorist Denis Cuspert gewesen sei, konnte die Zeugin nicht bestätigen.
Der Personalie Amri sei damals, Ende 2015, in ihren Augen keine besondere Bedeutung zugekommen, berichtet sie. Der Mann sei eine minder wichtige Kontaktperson zu einer Gruppe gewesen, sich im Visier polizeilicher Ermittlungen befunden habe. Der Informationsaustausch über mutmaßliche radikalislamische Terroristen habe einen Großteil ihres Berufsalltags in Rom in Anspruch genommen, sagte Schlembach. Sie habe im Durchschnitt alle zwei Wochen einen solchen Fall zu bearbeiten gehabt. Einen „Fall Amri“ habe es für sie erst nach dem Attentat auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016 gegeben. Sie sei gerade auf der Rückreise von Basel nach Rom gewesen, als sie den Namen im Radio gehört habe, und habe sich sofort erinnert.
Es dauerte damals dreieinhalb Monate, bis am 4. April 2016 beim BKA die Antwort aus Italien vorlag. Eine solche Bearbeitungsdauer sei „nicht ungewöhnlich“ gewesen, sagte die Zeugin, wenn sie sie auch nicht als „normal“ bezeichnen wollte. In der Regel habe sie sich unerledigte Vorgänge alle zwei Monate vorlegen lassen. Das BKA habe damals aber keinen Anlass gesehen, die Angelegenheit mit besonderem Nachdruck zu behandeln.
Ein weiteres Mal habe sie am 2. Mai 2016 eine Anfrage zur Person Amris an die italienische Polizei weitergeleitet. Damals habe das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen wissen wollen, ob der Mann bei seiner Einreise nach Italien einen tunesischen Ausweis mitführte.
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