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14.09.2018 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 667/2018

Justiz suchte vergeblich nach Amri

Berlin: (hib/wid) Die Staatsanwaltschaft in Freiburg hat gegen den Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Grenzübertritts geführt, das erst dreieinhalb Wochen vor Amris Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche eingestellt wurde. Dies berichtete der zuständige Amtsanwalt Ulrich Riesterer dem 1. Untersuchungsausschuss. Der bei der Staatsanwaltschaft für die Verfolgung minder schwerer Delikte zuständige Zeuge hatte die Anzeige wegen illegaler Einreise bearbeitet, die die Freiburger Polizei bei Amris Ankunft am 6. Juli 2015 routinemäßig erstattet hatte.

Die Beamten des Freiburger Polizeireviers Nord setzten den Neuankömmling mit einer „Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber“ (BüMA) und einer Fahrkarte in den Zug nach Karlsruhe, wo er sich in der baden-württembergischen Landesaufnahmestelle melden sollte. Amri, der sich in Freiburg als Anis „Amir“ vorgestellt hatte, kam indes nie in Karlsruhe an. Er tauchte unter und ließ sich einige Wochen später unter dem Namen „Mohammed Hassan“ in Berlin ein weiteres Mal als Asylbewerber registrieren. Nachdem er somit für die Freiburger Behörden verschollen war, stellte Riesterer am 29. Juli 2015 das Verfahren vorläufig ein und schrieb Amri zur Aufenthaltsermittlung aus.

„Ich hatte mit Amri nie persönlich zu tun. Für mich war er ein Aktenvorgang“, sagte der Zeuge dem Ausschuss. Amri sei obendrein nur ein Fall „unter sehr vielen“ gewesen. Im Juli 2015 seien allein über seinen Schreibtisch 93 Anzeigen wegen unerlaubten Grenzübertritts gegangen. Insgesamt habe sein Dezernat in jenem Monat 141 vergleichbare Fälle zu bearbeiten gehabt. Im Gesamtjahr 2015 habe sich die Zahl auf 1375 summiert: „Wenn jeder Fall so viel Arbeit macht, ohne einen Ertrag zu bringen, liegt der Gedanke nahe, den Fall zu beenden.“

Riesterer hatte mit Amri zwei gravierende Probleme. Weil der Aufenthaltsort des Mannes unbekannt war, wusste er nicht, an welche Staatsanwaltschaft er das eingeleitete Ermittlungsverfahren zuständigkeitshalber abgeben konnte. Zudem war er völlig im Unklaren über Amris Reiseweg nach Deutschland, weil in seinem Fall keine Eurodac-Abfrage vorlag. Eurodac ist die europaweite Fingerabdruck-Datenbank, die darüber Auskunft geben kann, ob ein Migrant vor der Einreise nach Deutschland möglicherweise schon in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt hat.

Für die Beurteilung einer Anzeige wegen unerlaubten Grenzübertritts ist Eurodac von entscheidender Bedeutung. Produziert das System keinen Treffer, gilt die Vermutung, dass der Migrant Anspruch auf ein Asylverfahren hat, und damit sind die Ermittlungen einzustellen. Wer sich indes nachweisbar mindestens 40 Tage schon in einem anderen europäischen Land aufgehalten hat, muss sich eine Straftat zurechnen lassen. Die Staatsanwaltschaften verhielten sich in solchen Fällen recht unterschiedlich. Die Neigung sei groß, die Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen: „Ich glaube, dass ich relativ hart verfolge“, sagte der Zeuge. Er erwirke Geldstrafen von 30 Tagessätzen, die die Betroffenen in Raten abstottern könnten.

Im Fall Amri liefen seine Bemühungen ins Leere. Im Laufe des Jahres 2016 gingen zwar 13 Hinweise aus dem Bundeszentralregister ein, wenn der Mann irgendwo in Deutschland auffällig geworden war. Doch fand sich nie eine verwertbare Wohnadresse. Am 24. November 2016 stellte Riesterer das Verfahren endgültig ein. Am 19. Dezember steuerte Amri einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt.

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