Barrierefreiheit im Schienenverkehr
Berlin: (hib/HAU) Beim Bemühen um mehr Barrierefreiheit im Schienenverkehr hat sich aus Sicht des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) in den vergangenen Jahren viel verbessert. Allerdings bleibe auch weiterhin viel zu tun, sagte Ulf Schwarz, BSK-Geschäftsstellenleiter, am Montag während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Schwarz ging unter anderem auf die Diskussion um die Angleichung der Bahnsteighöhen ein. Entscheidend für die Barrierefreiheit sei, dass „Zug und Bahnsteighöhe zueinander passen“. In der Realität sei das aber oft nicht der Fall. Ein weiteres großes Problem stelle das fehlende Personal an Bahnhöfen dar, die nicht zu den Knotenpunkten gehören. Dies beträfe vor allem den Pendlerverkehr. Menschen mit Mobilitätseinschränkung könnten hier keine Hilfeleistung in Anspruch nehmen, beklagt Schwarz. Wenn Personal vorhanden ist, sei dieses oftmals leider nicht ausreichend geschult, um die fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen zu beherrschen. Schließlich machte der BSK-Vertreter noch auf ein Problem mit dem Bahnwettbewerber Flixtrain aufmerksam. Die von dem Unternehmen eingesetzten, oft älteren Wagen, seien „ganz weit weg von Barrierefreiheit“.
Seine Erfahrungen mit der Deutschen Bahn AG (DB AG) schilderte Peter Wenndorf, dessen Frau auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Einzig beim „alten“ Modell des ICE 1 seien die Gänge breit genug, damit Rollstuhlfahrer, aber auch Kinderwagen hindurchpassen würden. Problematisch seien bei Wagen der neueren ICE-Generation auch die Evakuierungssituationen. Als unlängst ein ICE „gestrandet“ sei, habe die Feuerwehr eine Rampe aus einem Holzgestell bauen müssen, um einen Elektrorollstuhlfahrer bergen zu können. Drei Stunden habe dieser Evakuierungsprozess gedauert, sagte Wenndorf.
Für Blinde und Sehgeschädigte gebe es schon bei der Planung einer Reise Probleme, sagte Rüdiger Leidner, Vorsitzender des Vereins „Tourismus für Alle Deutschland“. So sei die Website der DB AG „nicht barrierefrei im Sinne der Bundesinformationstechnikverordnung“. Nächstes Problem sei, dass der von der Bahn angebotene Mobilitätsservice zwar telefonisch erreichbar sei, es aber an kleineren Bahnhöfen keine Mitarbeiter gebe, die behilflich sein können. Fänden sich dann an den Bahnhöfen Blindenleitsysteme so seien die vielfach unterschiedlich aufgebaut und würden „an der Bahnhofstür enden“.
Ellen Engel-Kuhn, Leiterin der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten bei der DB AG, stellte die Bemühungen des Unternehmens zur Schaffung von Barrierefreiheit heraus. DB Station&Service betreibe rund 5.400 Bahnhöfe, von denen rund 77 Prozent stufenlos erreichbar seien, sagte Engel-Kuhn. Pro Jahr würden durchschnittlich 100 Stationen verbessert. Außerdem seien 4.800 der 9.300 Bahnsteige bereits mit einem taktilen Leitsystem aus Bodenindikatoren ausgestattet. Die Bahn-Vertreterin verwies zugleich auf neue Fahrzeuge wie den ICE 4, der seit 2017 im Einsatz ist und „Maßstäbe setzt, was das Thema Barrierefreiheit angeht“. Der ICE 4 sei gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen entwickelt worden, betonte Engel-Kuhn. Zu enge Gänge gebe es im ICE 4 nicht, sagte sie. Es seien die Vorgaben aus der entsprechenden EU-Verordnung umgesetzt worden.
Martin Schmitz, Geschäftsführer für den Bereich Technik im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), sagte, Barrierefreiheit sei wichtig, wenn es darum geht, die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu erhöhen. Gemeinsam mit dem Städtebund sei errechnet worden, dass in dem Bereich aktuell Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro benötigt würden. Gefragt, welche Maßnahmen schnell umsetzbar seien, sagte der VDV-Vertreter: „Bauen geht nie schnell.“ Die Maßnahmen müssten gut durchdacht und strategisch abgestimmt sein. „Schnelle“ Maßnahmen könnten eher im digitalen Bereich liegen, etwa beim Routing und der Reiseunterstützung.