Verfassungsschützer verteidigt Behörde
Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) hat ein Referatsleiter aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz seine Behörde gegen den Verdacht verteidigt, über den späteren Attentäter Anis Amri 2016 mehr gewusst zu haben als sie heute einräumen möchte. „Im Fall Amri war es uns leider nicht möglich, den Anschlag zu verhindern, denn es gab keine Quelle im Umfeld des Täters. In anderen Fällen gelingt uns das sehr wohl“, sagte der Zeuge Thilo Bork in seiner Vernehmung an Donnerstag. Amri sei vor dem Zeitpunkt des Attentats für den Verfassungsschutz „nur eine Person unter sehr vielen“ radikalislamischen Gefährdern gewesen.
Nach einem beruflichen Vorleben als Rechtsanwalt fing der heute 48-jährige Zeuge in der für „Islamismus und islamistischen Terrorismus“ zuständigen Abteilung 6 des Bundesamtes zunächst als Quellenführer an, eine Tätigkeit, die er vier Jahre lang „auf der Straße“ ausgeübt habe. Er wurde anschließend Referatsleiter und ist seit 2015 als Referatsgruppenleiter für „Beschaffung“ tätig, also für Einsatz und Führung von V-Leuten im radikalislamischen Milieu.
In einem einleitenden Vortrag machte Bork die Abgeordneten mit den Schwierigkeiten und rechtlichen Begrenzungen der Anwerbung von Quellen vertraut und erläuterte den nachrichtendienstlichen Begriff des „Umfeldes“. Der Verfassungsschutz, betonte Bork, dürfe niemanden als V-Mann anwerben, der nicht voll geschäftsfähig sei, sich in einem Aussteigerprogramm befinde, seinen Lebensunterhalt mit den Einkünften aus der Spitzeltätigkeit bestreiten müsse, „steuernden Einfluss“ auf Gruppen habe, die der Beobachtung unterlägen oder nicht wenigstens zur Bewährung ausgesetzte Vorstrafen aufweise.
Daraus sei schon zu ersehen, sagte Bork, dass sich „nicht jeden Tag eine geeignete Quelle“ finde, im Gegenteil: „Es kommt leider nicht allzu häufig vor.“ Ungeachtet all dessen gelte aber: „Ich bin von den rechtlichen Grundlagen überzeugt, denn ich arbeite für die Erhaltung unseres Rechtsstaats. Die Verfassung, die ich schütze, setzt mir richtigerweise den Rahmen.“ Seine Behörde dürfe und wolle mit einer Quelle nicht alles tun, was möglich wäre. Zum nachrichtendienstlichen Begriff des „Umfeldes“ führte Bork aus, dieser sei „nicht objektbezogen, sondern personenbezogen“. Das bedeute: Selbst wenn sich eine Quelle in einem Objekt aufhalte, sei noch lange nicht gesagt, dass sie mit allen dort verkehrenden Personen Kontakt habe. Die Darstellung, der Verfassungsschutz habe in Amris Umfeld über keinen Informanten verfügt, wird immer wieder mit dem Hinweis angezweifelt, dass es eingestandenermaßen einen V-Mann in der Moabiter Fussilet-Moschee gab, wo Amri ein und aus ging.
Der Zeuge bekräftigte auch, dass der Verfassungsschutz zu keinem Zeitpunkt federführend mit Amri beschäftigt gewesen sei: „Es war ein Fall, der in die Zuständigkeit der Polizei fiel, und wir haben begleitend gewirkt, und dabei ist es dann auch geblieben. Noch einmal: Wir hatten keine Quelle im Umfeld des Attentäters.“ Allein seine Referatsgruppe, sagte der Zeuge, sei im Jahr „mit einer mittleren dreistelligen Zahl von Gefährdungssachverhalten“ befasst, in denen die Möglichkeit eines Anschlages „immer im Raum“ stehe„. In diesem Personenkreis sei Amri damals nicht besonders auffällig erschienen. Dass er einen Anschlag im Sinn hatte, habe die Behörde nicht gewusst, “und ich komme zu entscheidenden Punkt: Wir konnten es auch nicht wissen„. Gemessen an diesem damaligen Kenntnisstand gelte: “Wir haben im Fall Amri nichts falsch gemacht.„