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07.11.2018 Gesundheit — Anhörung — hib 853/2018

Plädoyer für kostenlose Verhütungsmittel

Berlin: (hib/PK) Mediziner und Sexualwissenschaftler befürworten die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln. Insbesondere für Frauen mit geringem Einkommen seien die Verhütungskosten zu hoch und führten zu ungewollten medizinischen oder sozialen Komplikationen, erklärten Sachverständige am Mittwoch in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen (19/2514) und Die Linke (19/2699) im Bundestag.

Die Experten äußerten sich in der öffentlichen Anhörung und auch in schriftlichen Stellungnahmen. Derzeit übernehmen die Krankenkassen die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel nur für Versicherte unter 21 Jahren. Für Versicherte über 18 Jahren fallen bei der Abgabe solcher Mittel Zuzahlungen an.

Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, verschreibungspflichtige Verhütungsmittel und operative Eingriffe wie die Sterilisation ohne Alters- und Indikationseinschränkung in die Leistungspflicht der GKV aufzunehmen. Auch wirksame nicht verschreibungspflichtige Verhütungsmittel wie Kondome sollten erstattungsfähig sein. Dazu sollte den Versicherten ein monatliches Budget bereitgestellt werden, das für eine erstattungsfähige Verhütungsmethode ihrer Wahl inklusive Kontrazeptiva abgerufen werden könne.

Die Grünen-Fraktion spricht sich dafür aus, die Empfänger von Transferleistungen auch ab dem vollendeten 20. Lebensjahr von den Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung vollständig zu entlasten. Die Kostenübernahme sollte möglichst unbürokratisch gestaltet und die Zielgruppe über die Möglichkeit der Kostenübernahme niedrigschwellig informiert werden.

Der Bundesverband pro familia erklärte, viele Frauen und Männer könnten sich Verhütungsmittel nicht leisten. Die Kostenübernahme sollte daher für alle wohnortnah, unbürokratisch und niedrigschwellig ermöglicht werden. Vor allem für bedürftige Frauen stellten die Kosten eine große Hürde dar. So koste eine Hormonspirale, die drei bis fünf Jahre wirksam sei, bis zu 400 Euro.

In der Folge würden Verhütungsmethoden falsch oder gar nicht genutzt. In einigen Kommunen gebe es freiwillige Angebote der Kostenübernahme, ein Rechtsanspruch bestehe jedoch nicht. Sinnvoll wären ein bundesweit einheitlicher Rechtsanspruch sowie eine umfassende Verhütungsberatung.

Die Berliner Frauenärztin Katrin Wolf bestätigte, die sichere Verhütung, unabhängig von finanziellen Barrieren, sei unabdingbar für eine selbstbestimmte Sexualität und den Erhalt der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Eine bundesweit einheitliche Regelung würde die Anwendung von Verhütungsmitteln für strukturell benachteiligte Menschen ermöglichen und ungewollte Schwangerschaften verhindern. Wolf erklärte, es sollten im Sinne der selbstbestimmten Sexualität auch Kondome kostenlos an Männer ausgegeben werden.

Auch die Sexualwissenschaftlerin Ulrike Busch begrüßte die parlamentarischen Initiativen und erklärte, das Interesse von Frauen und Männern an effektiver Verhütung sei so groß wie nie. Daher sollte auch auf nicht ärztlich verordnete Verhütungsmittel ein unentgeltlicher Anspruch bestehen. Da die meisten Verhütungsmethoden von Frauen angewendet würden, bestehe hier eine einseitige Benachteiligung. In Belgien, Frankreich und Großbritannien gebe es bereits weitreichende Regelungen für eine kostenlose Verhütung ohne zielgruppenspezifische Einschränkungen. Vorrang haben sollte eine Regelung für Frauen und Männer mit geringem Einkommen.

Die Sozialwissenschaftlerin Cornelia Helfferich verwies auf eine Studie, wonach Frauen im Sozialleistungsbezug beim Zugang zur Verhütung unterversorgt sind. Es gebe einen signifikanten Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation und einer weniger adäquaten Nutzung von Verhütungsmitteln.

Der GKV-Spitzenverband machte deutlich, dass es sich bei der Abgabe von Verhütungsmitteln um versicherungsfremde Leistungen handele, die pauschal über den Bundeszuschuss abgegolten würden. Bei einem erweiterten Leistungsanspruch wäre ein steuerfinanzierter Ersatz der den Krankenkassen entstehenden Kosten sicherzustellen. Zudem müssten die Verwaltungsausgaben berücksichtigt werden. Bei einer Abgabe von Verhütungsmitteln an Bedürftige sollte außerdem bedacht werden, dass mit der entsprechenden Kennzeichnung von Rezepten eine mögliche Diskriminierung einhergehe. Auch ergäben sich hier datenschutzrechtliche Fragen.

Rechtsexperten wandten in der Anhörung ein, die Umsetzung der Anträge über die GKV im Sozialgesetzbuch V (SGB V) wäre problematisch, weil es sich um eine versicherungsuntypische Leistung handele. Da in der Frage jedoch ein politischer Gestaltungsspielraum bestehe, wäre eine Umsetzung auf einer anderen rechtlichen Basis denkbar, etwa über das SGB II (Grundsicherung) oder SGB XII (Sozialhilfe).

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