Chefs der Nachrichtendienste in Anhörung
Berlin: (hib/STO) Zum zweiten Mal in seiner Geschichte hat das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages am Freitag in einer öffentlichen Anhörung die Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes gehört. Dabei stellten sich neben dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, und des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), Christof Gramm, auch der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, den Fragen der Abgeordneten. Wie der PKGr-Vorsitzende Armin Schuster (CDU) zu Beginn der Veranstaltung ausführte, sollte die öffentliche Anhörung auch „ein bisschen zur Entmystifizierung beitragen“.
BND-Präsident Kahl betonte, die Bundesregierung brauche für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen „Fakten und Einschätzungen, auf die sie sich verlassen kann“. In der aktuellen Sicherheitslage werde Aufklärung immer wichtiger, wofür Deutschland einen starken Auslandsnachrichtendienst brauche.
Eine Herausforderung sah Kahl in der im In- wie im Ausland „zunehmenden Attraktivität autoritär-populistischer Politikstile“. Man beobachte Versuche autoritärer Staaten, „westliche, offene Gesellschaften und Marktwirtschaften mit illegitimen Instrumenten zu beeinflussen“. Die ideologische Konfrontation verlaufe heute zwischen Demokratien einerseits und „aufstrebenden, autoritären Gesellschaftsmodellen andererseits“. Auch diesen Systemkonflikt habe der BND im Blick, um den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat zu schützen, unterstrich Kahl.
Er hob zugleich hervor, dass die Nachrichtendienste des Bundes „gegenüber Geheimdiensten in solchen Autokratien ohne parlamentarische Kontrolle“ einen strategischen Vorteil hätten. Die öffentliche und offene Meinungsbildung sei Voraussetzung dafür, dass die Sicherheitsbehörden „ein nachhaltiges Mandat der Gesellschaft bekommen“, um drohende Gefahren aufzuklären und abzuwehren. Nur damit sei man in der Lage, den Risiken „im gesellschaftlichen Schulterschluss“ entgegenzuwirken. „Wir brauchen Vertrauen im Inland, um im Ausland vertraulich agieren zu können“, sagte der BND-Präsident weiter und fügte hinzu: „Wir verdienen Vertrauen, müssen uns dieses Vertrauen aber auch verdienen.“
BfV-Präsident Haldenwang unterstrich, dass „effektive und gut aufgestellte Sicherheitsbehörden“ kein Selbstzweck seien, sondern der Freiheit und Sicherheit in Deutschland dienten. Als größte Gefahr für die Sicherheit in Deutschland bewertete er den islamistischen Terrorismus. Weiterhin hoch sei die Gewaltbereitschaft im Rechtsextremismus. Dabei behalte das BfV „die mögliche Herausbildung rechtsterroristischer Strukturen auch fest auf dem Radar“. Über die Themen Migration und Islam versuchten Rechtsextremisten im bürgerlichen Spektrum Fuß zu fassen.
Eine besondere Rolle bei der Entwicklung des Extremismus spielten die sozialen Medien, was für alle Bereiche gelte, fügte Haldenwang hinzu. Der Bundesverfassungsschutz müsse soziale Medien im Blick behalten, „die sowohl als Aufputschmittel als auch als Tatort fungieren“. Auch die Linksextremisten steigerten durch soziale Netzwerke und digitale Plattformen ihre Organisations- und Kampagnenfähigkeit.
Der BfV-Präsident führte ferner aus, dass man in Abstimmung mit den Landesämtern im September beschlossen habe, „im Verfassungsschutzverbund möglichst noch in diesem Jahr zu einer fachlichen Einschätzung zum weiteren Umgang mit der Partei AfD zu kommen“. Dazu sei allerdings zuvor „eine gewissenhafte und intensive Prüfung“ des beim BfV vorliegenden Materials von Bund und Ländern notwendig.
BAMAD-Präsident Gramm machte deutlich, dass sich seine Behörde als Sicherheitsdienstleister für die Bundeswehr verstehe. Kern der eigentlich nachrichtendienstlichen Tätigkeit sei dabei „die Abwehr von extremistischen Bestrebungen und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, die von Personen in der Bundeswehr ausgehen - die also aus der Bundeswehr gegen die Bundeswehr gerichtet sind“. Mit der Extremismus- und Spionageabwehr sei aber nur rund ein Viertel des MAD-Personals befasst, fügte Gramm hinzu. Rund ein Drittel widmet sich demgegenüber seinen Worten zufolge dem personellen Geheimschutz. Dabei gehe es um die Mitwirkung bei der Sicherheitsüberprüfung.
Der MAD schaltet sich laut Gramm immer dann ein, wenn Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen von Bundeswehr-Angehörigen vorliegen. Dabei habe man es deutlich mehr mit Personen aus dem rechts- als aus dem linksextremistischen Spektrum zu tun. In den Bereichen Islamismus und Ausländerextremismus hätten sich die Fallzahlen nach deutlichem Anstieg in den zurückliegenden Jahren nun stabilisiert, ohne dass sich eine Entspannung abzeichne.
Ein kleineres Aufgabenpaket des MAD betreffe den „materiellen Geheimschutz mit in erster Linie technischen Fragestellungen“, fügte Gramm hinzu. Neben diesen Inlandsaufgaben seien rund 15 Prozent des Personals mit dem Schutz deutscher Soldaten im Auslandseinsatz vor Bedrohungen wie Terrorismus, Spionage, Sabotage sowie organisierter Kriminalität befasst.