+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

28.11.2018 Menschenrechte — Anhörung — hib 926/2018

Verfolgte und vertriebene Minderheiten

Berlin: (hib/AHE) „Verdrängte Ethnien - bedrohte Völker“ lautet der Titel einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses, in der am Mittwoch Wissenschaftler und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen mit den Abgeordneten diskutiert haben. Neben der ethnischen und religiösen Dimension des Problems und der Vielzahl an Verfolgungen von Minderheiten auf der Welt ging es in der Veranstaltung auch um die Frage, wie Demokratien mit zunehmenden „Ideologien der Ungleichheit“ und „kulturellen Schließungstendenzen“ umgehen können.

Heiner Bielefeldt (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) warnte davor, das Thema verfolgter oder verdrängter Gruppen insofern zu verkürzen, dass Menschenrechte nur Minderheiten betreffen würde. Die Frage des Umgangs mit Minderheiten sei immer auch eine Testfrage, wie es um eine Gesellschaft insgesamt bestellt sei. Die Mehrheit habe die Aufgabe, den öffentlichen Raum offen zu halten, Institutionen zu stützen, die einen „identitätspolitischen Kollaps“ verhindern und Minderheiten angstfreie Teilhabe zu ermöglichen.

Ulrich Delius (Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.) machte darauf aufmerksam, dass es zwar auch, aber eben nicht nur um Verfolgung von ethnischen oder religiösen Minderheiten durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure gehe. So seien weltweit rund 450 Millionen Angehörigen indigener Völker auch durch wirtschaftliche, geografische, klimatische Faktoren bedroht und durch gesellschaftlichen Wandel, Generations- und Rollenkonflikte herausgefordert. Delius warb dafür, die ILO-Konvention 169 zu ratifizieren: Dies könnte ein wichtiges Zeichen an deutsche Unternehmen im Ausland sein, stärker auf die Interessen Indigener einzugehen.

Schwester Hatune Dogan (Hatune Foundation, Warburg) schilderte aus eigenem Erleben die Zurücksetzungen und Diskriminierung ihrer Familie als aramäische Christen in der Türkei. Es sei ihnen verboten worden, ihre Religion auszuüben, ihre Sprache zu sprechen, Lehrer hätten aramäische Kindern mit Schlägen traktiert und sie zu „Soldaten des türkischen Staates“ erklärt. Dogan erinnerte daran, dass Christen vor Jahrhunderten im Nahen Osten die Mehrheit gestellt hätten und heute allenfalls noch wenige Prozente der Bevölkerung, „und die werden auch nicht in Ruhe gelassen“.

Gudrun Hentges (Universität zu Köln) machte auf die Vielgestaltigkeit der „Ideologien der Ungleichheit“ von religiösem Fundamentalismus über Rassismus bis hin zum Antisemitismus aufmerksam. Solche Formen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ - ein Begriff des Erziehungswissenschaftlers Wilhelm Heitmeyer - nähmen mit der Konjunktur rechter und extrem rechter Parteien auch in Europa zu. So komme die jüngst vorgestellte Studie „Flucht ins Autoritäre“ zum dem Befund, dass die „geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit“ in Deutschland gestiegen sei, sagte Hentges.

Mouhanad Khorchide (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) warb für eine differenzierenden Blick: Während der ägyptische Mufti die Pflicht von Muslimen hervorhebe, Christen den Bau von Kirchen zu ermöglichen, gäbe es andere islamische Geistliche, die zur Zerstörung christlicher Kirchen auf der arabischen Halbinsel aufrufen. Die Frage sei, wie man aus Deutschland heraus jene Kräfte unterstützen könne, die sich für die Menschenrechte einsetzen.

Michael Reder (Hochschule für Philosophie München) sprach mit Bezug auf den Philosophen Jürgen Habermas von „kulturellen Schließungstendenzen“, in denen die Sehnsucht nach Homogenität und Festigkeit zum Ausdruck kämen. In der globalisierten und pluralistischen Gegenwart könne man zu solchen Konzepten aber nicht mehr zurück. Demokratie sei nicht nur eine Frage der Verfassung und der Regierungsform, sondern auch der Haltung der Bürgerinnen und Bürger. „Dazu gehört Bildung existenziell dazu, Bildung über globalisierte Zusammenhänge.“

Thomas Schirrmacher (Internationales Institut für Religionsfreiheit) argumentierte, dass die Demokratie am Ende nicht am „banalen Vollzug einer Mehrheitswahl“ gemessen werde, sondern daran, ob sie die Rechte von Minderheiten garantiere. Es sei wieder und wieder schockierend, welche für eine ungeheuren Energie und Zeit Staaten, Gruppen oder Parteien weltweit darauf verwendeten, dafür zu sorgen, dass es anderen nicht gut gehe und „Minderheiten madig zu machen“.

Marginalspalte