„Mehr tun für Familienplanung in Afrika“
Berlin: (hib/JOH) Angesichts des massiven Bevölkerungswachstums in Subsahara-Afrika haben sich Experten am Mittwochmittag in einer öffentlichen Anhörung des Entwicklungsausschusses für ein größeres Engagement Deutschlands bei der Stärkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der Rechte von Frauen und Mädchen ausgesprochen. „Deutschland als wichtiger und angesehener Akteur in der Entwicklungspolitik sollte das Thema voranbringen“, urteilte Sonja Birnbaum von Plan International Deutschland. Wenn Mädchen und junge Frauen in Ländern mit hohen Geburtenraten die Selbstbestimmheit und die Mittel hätten, gemäß der eigenen Wünsche und Vorstellungen über Familienplanung zu entscheiden, würden sie weniger Kinder bekommen.
Dorothee Klüppel vom Bischöflichen Hilfswerk Misereror betonte den engen Zusammenhang zwischen Bildung und Geschlechterrollen. „Je länger die Mädchen in der Schule sind, desto später bekommen sie Kinder. Und sie bekommen weniger.“ Wenn man die Situation von Frauen verbessern wolle, sei es aber auch wichtig, Jungen und Männer einzubeziehen, ergänzte sie.
Nadine Krysostan vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) verwies beispielhaft auf die 2008 in Niger initiierten „Ehemann-Schulen“ („Husbands' school“), die große Fortschritte mit Blick auf die reproduktive Gesundheit von Frauen gebracht hätten. Die Frauen würden nun häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen gehen und ihre Kinder öfter in Krankenhäusern statt zu Hause bekommen. Auch sei die Akzeptanz von Verhütungsmitteln gestiegen.
Gisela Schneider von „Brot für die Welt“ betonte die Bedeutung von Zivilgesellschaft und religiösen Führern bei der Umsetzung von Familienplanungsprogrammen. So könnten lokale „Community Workers“ in ganz besonderer Weise Einfluss auf die Menschen nehmen, weil sie Kultur und Sprache kennen würden. Auch Pastoren, Priester oder Imame seien extrem wichtig, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Katrin Erlingsen von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) warb für eine frühe und umfassende Sexualaufklärung von Kindern und Jugendlichen und bedauerte, dass das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiierte Regionalvorhaben zur Verbesserung von sexueller und reproduktiver Gesundheit und HIV-Prävention unter jungen Menschen im östlichen und südlichen Afrika im Januar 2019 auslaufen wird. Sie appellierte an die Bundesregierung, innovative Ansätze im Bereich der Sexualaufklärung weiterzuführen und auf weitere Regionen auszuweiten.
Besorgt zeigte sich Erlingsen über mögliche Auswirkungen der 2017 durch die US-Regierung reaktivierte so genannte Global Gag Rule. Der Richtlinie zufolge bekommen ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die zum Thema Schwangerschaftsabbruch beraten, Abtreibungen anbieten oder sich für deren Legalisierung einsetzen, keine US-amerikanischen Entwicklungsgelder mehr. Dies gelte auch für die Finanzierung von Angeboten, die nichts mit Abtreibungen zu tun hätten, erklärte Katrin Erlingsen von der DSW. Ihrer Ansicht nach würden dadurch schon jetzt zivilgesellschaftliche Netzwerke „erheblich geschädigt“.
Frank Strelow, Vize-Präsident des Global HealthCare Programs der Bayer AG, sprach von einer „Neuordnung der Geberlandschaft durch die US-Politik“ und warnte vor „bestehenden und zu erwartenden Finanzierungslücken im dreistelligen Millionenbereich“. Er betonte außerdem, dass die Zahl der Frauen in Subsahara-Afrika, die Verhütungsmittel benutzten, stetig ansteige. Um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, gelte es, die Mittel für die internationalen Familienplanungsprogramme deutlich zu erhöhen.
Sabine Baunach von der Kinderrechtsorganisation „Save the Children“ betonte, nur mit dem Zugang zu qualitativ hochwertiger und bezahlbarer Basisgesundheitsversorgung könnte vermeidbare Mütter-, Neugeborenen- und Kindersterblichkeit beendet werden. Die Regierungen müssten dafür die Gesundheitssysteme stärken und entsprechende finanzielle Ressoucen mobilisieren. Die globale Finanzierungslücke betrage jedoch schätzungsweise 33 Milliarden US-Dollar jährlich.