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12.12.2018 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 985/2018

Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Berlin: (hib/MWO) Von grundsätzlicher Ablehnung bis zu vorsichtiger Zustimmung reichte die Bandbreite der Äußerungen der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Geheimnisschutzgesetzes (19/4724) am Mittwoch. Die acht Experten machten in der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten Runde eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie der Entwurf den Anforderungen des EU-Rechts besser gerecht werden kann.

In der zweistündigen Anhörung bewegten sich die Fragen der Ausschussmitglieder vor allem um den Begriff Geschäftsgeheimnis und den Unterschied zwischen der in der dem Entwurf zugrundeliegenden EU-Richtlinie vorgesehenen Bereichsausnahme und den im Entwurf vorgesehenen Rechtfertigungsgrund sowie um mögliche Auswirkungen des geplanten Gesetzes auf die Pressefreiheit. Unter Verweis auf die aktuellen Ermittlungen gegen den als Besucher auf der Tribüne anwesenden Chefredakteur der Rechercheorganisation Correctiv, Oliver Schröm, betonten Abgeordnete wie Sachverständige die Notwendigkeit des Schutzes von investigativen Recherchen, der in dem Entwurf zu kurz komme.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung umsetzen. Durch ein neues Stammgesetz solle ein in sich stimmiger Schutz vor rechtswidriger Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht werden, heißt es in dem Entwurf. Er enthält aber auch Gründe, bei deren Vorliegen im Einzelfall ein Verstoß gerechtfertigt sein kann. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird im deutschen Recht bislang über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gewährleistet.

Grundlegende Kritik an dem Entwurf kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Marta Böning, Rechtsreferatsleiterin im DGB-Bundesvorstand, bezeichnete das Gesetz in ihrer Stellungnahme als „Maulkorb zu Lasten der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen“. Das geplante Gesetz beeinträchtige die Interessen der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen in nicht zu rechtfertigender Weise. Der DGB fordere eine ausdrückliche Vorrangregelung für die geltenden arbeitsrechtlichen Regeln, sagte Böning. Mit den geplanten Regelungen drohe „eine Legalisierung der ausufernden, missbräuchlichen Geheimhaltungspraxis, die jetzt schon in vielen Unternehmen auf der Tagesordnung ist“.

Dagegen bewertete die Referatsleiterin im Bereich Recht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Doris Möller, die Schaffung eines eigenen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als positiv, da so deren Besonderheiten besser Rechnung getragen werden könne. Trotz Unklarheiten bei Definitionen und erheblichem zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen würden die neuen Regelungen, die auch für höhere Transparenz sorgten, von der Wirtschaft überwiegend befürwortet. Ziel der Richtlinie wie des Gesetzes sei die Stärkung des Innovationsschutzes und der Schutz von Know-how. Dies werde in der Diskussion oft vergessen.

Der Berliner Rechtsanwalt Christoph Partsch untersuchte den Gesetzentwurf insbesondere aus dem Blickwinkel der Medien und kam in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, dass die Medien und ihre Vertreter durch eine Rechtfertigungslösung statt einer von der von Richtlinie vorgesehenen Bereichsausnahme deutlich schlechter gestellt und die Recherche und die Veröffentlichung gefährdet würden. Der Regierungsentwurf werde einen „chilling effect auf Journalisten“ haben und die Tätigkeit investigativer Journalisten erheblichen neuen strafrechtlichen Risiken unterwerfen, erklärte Partsch. Wie auch andere Sachverständige monierte Partsch unzureichende Begriffsdefinitionen im Entwurf. So weiche der Regierungsentwurf bei der Definition des Geschäftsgeheimnisses ohne Not von der Richtlinie ab. Er bezeichnete die Pressefreiheit als „Kollateralschaden“ des geplanten Gesetzes.

Lob an dem Gesetzentwurf kam von dem Münchener Rechtsprofessor Christoph Ann und dem Hamburger Rechtsanwalt Henning Harte-Bavendamm. Angesichts der unübersichtlichen Materie überzeuge die Konsolidierung des über 100 Jahre alten deutschen Geheimnisschutzrechts in einem Stammgesetz, erklärte Ann. Seiner Ansicht nach gehe es bei der Stoßrichtung des Gesetzes in erster Linie um Konkurrenzspionage. Unbefriedigend sei unter anderem die Regelung zum Whistleblowing. Hier sollte nur eine Interimslösung angestrebt werden. Auch andere Sachverständige verwiesen darauf, dass derzeit auf EU-Ebene der Entwurf einer Whistleblower-Richtlinie vorliegt. Harte-Bavendamm erklärte in seiner Stellungnahme, der Entwurf sei im Grundsatz als sehr gelungen zu bewerten. Er bewege sich - von kleineren Grauzonen abgesehen - sicher auf dem Boden der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie. Dabei schöpfe er den verbliebenen Gestaltungsspielraum in weitgehend überzeugender Weise aus. In das Arbeitsrecht greife der Entwurf seiner Meinung nach nicht ein.

Der Hamburger Fachanwalt für Strafrecht Mayeul Hiéramente befasste sich in seiner Stellungnahme mit der Fragestellung der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen durch Unternehmensmitarbeiter und Führungskräfte in Fällen des sogenannten Whistleblowings. Er betonte, dass sowohl die Richtlinie als auch der Entwurf den Schutz „rechtswidriger Geheimnisse“ zuließen. Daran sollte festgehalten werden. Es wäre vorschnell, dem Bestreben von Unternehmen zur internen Aufklärung und Selbstreinigung pauschal die Legitimität abzusprechen.

Dem widersprach Arne Semsrott von dem gemeinnützigen Verein Open Knowledge Foundation Deutschland. Zu den „schwerwiegenden Regelungslücken“ des Entwurfs zählte er die Neufassung der Definition von Geschäftsgeheimnissen. Dadurch sei zu befürchten, dass Unternehmen erweiterte Möglichkeiten erhalten, illegitim gegen die Aufdeckung von rechtswidrigen Vorgängen vorzugehen. Anders als bisher könnten auch rechtswidrige Praktiken Geschäftsgeheimnisse darstellen, kritisierte Semsrott. Es liege allerdings grundsätzlich im allgemeinen öffentlichen Interesse, diese offenzulegen.

Korrekturbedarf meldete auch die Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD), Susanne Pfab, an. Es gebe die klare Vorgabe der Richtlinie, die Medienfreiheit nicht einzuschränken. Der Informationsschutz für investigative Medien sei daher zwingend notwendig. Deren Arbeit dürfe nicht erschwert, sondern müsse erleichtert werden. Wie Partsch hält sie eine Medienschutzklausel für dringend geboten. Die Absicht des Gesetzes sei nachvollziehbar, sagte Pfab, es schieße jedoch über das Ziel hinaus.

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