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13.12.2018 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 992/2018

Staatsanwältin berichtet über Amri

Berlin: (hib/wid) Eine Berliner Staatsanwältin hat dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) über ein Verfahren berichtet, das sie gegen den späteren radikalislamischen Attentäter Anis Amri wegen Körperverletzung geführt hat. Ihr sei Amri damals allerdings unter dem Namen „Ahmad Zaghloul“ bekannt gewesen, sagte die Zeugin Kerstin Wendler in ihrer Vernehmung am Donnerstag. Sie habe an den Vorgang aus dem Herbst 2015 auch keine eigene Erinnerung mehr. Die heute 54-jährige Juristin ist seit 1992 in der Berliner Justizbehörde beschäftigt und seit vier Jahren mit Jugendstrafsachen befasst. Ihr Dezernat habe im Jahr rund 6.500 Fälle abzuarbeiten, sagte Wendler.

Am 6. Oktober 2015 gegen 11.30 Uhr sei der angebliche Zaghloul auf dem Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) in einem Bereich angetroffen worden, den er aus Sicherheitsgründen nicht hätte betreten dürfen, zitierte Wendler aus den Akten. Der Wachmann M. E. sei „mit erhobener Hand auf Zaghloul zugelaufen“ und habe ihn aufgefordert, den Ort zu verlassen. Amri habe den Mann auf Arabisch beschimpft und ihm einen Schlag ins Gesicht versetzt, durch den Ertas eine „Rötung“ davongetragen habe. Die Polizei habe die Personalien der Beteiligten aufgenommen. Allerdings habe der Geschädigte keinen Wert darauf gelegt, Strafantrag zu stellen, obwohl er dazu aufgefordert worden sei, und er sei auch zu keiner Zeugenaussage bereit gewesen. Der Täter Amri alias „Zaghloul“ sei vom Ort des Geschehens verschwunden.

Da der angebliche Zaghloul bei seiner Registrierung im Lageso den 22. Dezember 1995 als Geburtsdatum genannt hatte, war davon auszugehen, dass er zum Tatzeitpunkt noch 19 Jahre alt, mithin minderjährig war. So landete der Fall auf dem Schreibtisch der Jugendstaatsanwältin Wendler. Diese stellte am 18. Dezember 2015 das Verfahren vorläufig ein, weil der Beschuldigte nicht aufzufinden war, und schrieb ihn zur Aufenthaltsermittlung durch das Berliner Landeskriminalamt aus. Am 12. Januar 2016 erhielt sie den Hinweis, der Gesuchte sei in einer Flüchtlingsunterkunft in der Berliner Wichertstraße anzutreffen, dem sie allerdings nicht nachgegangen sei.

Am 4. August 2016 teilte die Bundespolizei in Konstanz mit, der gesuchte Zaghloul sei identisch mit einem „Anis Amir“, der beim Versuch der Ausreise an der Schweizer Grenze aufgegriffen worden sei. Diese Information habe allerdings eine Kollegin in der Akte abgelegt; sie selbst habe sie erst nachträglich zu Gesicht bekommen, sagte Wendler.

Nach ihren Worten war ein „Ahmad Zaghloul“ in keiner deutschen Behördendatei als vorbestraft oder anderweitig auffällig registriert: „Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um einen gänzlich unbescholtenen jungen Mann handelte.“ Obendrein sei nicht völlig auszuschließen gewesen, dass er sich in einer Notwehrsituation wähnte, als er den Wachmann mit erhobener Hand auf sich zulaufen sah. Von dieser Einschätzung habe sie sich leiten lassen, als sie davon absah, den Fall mit massivem Nachdruck zu verfolgen, gab die Zeugin zu verstehen. Sie habe abwarten wollen, ob der Beschuldigte mit weiteren Delikten auffällig und damit ein „Erziehungsbedarf“ nach den Maßstäben des Jugendstrafrechts erkennbar wurde. Ohnehin sei damit zu rechnen gewesen, dass der angebliche Zaghloul in einem Strafprozess mit einer Ermahnung des Gerichts davongekommen wäre.

Sie habe auch angesichts einer Vielzahl von Fällen Prioritäten setzen müssen: „Man muss sehen, dass das Verfahren sicher nicht das wichtigste auf meinem damaligen Schreibtisch war.“

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