Ärztekritik an Sprechstundenregelung
Berlin: (hib/PK) Mediziner lehnen die im Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geplanten Vorgaben für erweiterte Sprechstunden ab und sehen darin einen Eingriff in ihre Berufsfreiheit. In der mehrstündigen Anhörung über den Gesetzentwurf (19/6337) am Mittwoch im Bundestag kam auch Kritik von den Krankenkassen sowie von Psychotherapeuten. Die Experten äußerten sich in der öffentlichen Sitzung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (Spifa) erklärte, durch „direkte Durchgriffsregelungen auf das Praxismanagement“ würden den Ärzten nötige Freiräume zur Organisation einer patientenorientierten Versorgung genommen. Der mit einer Erhöhung auf 25 Sprechstunden pro Woche entstehende Organisations- und Kommunikationsaufwand sei beträchtlich und verzerre den Blick auf die schon bestehende Arbeitsbelastung der Ärzte. Der Ärzteverband forderte auch, die restriktiven Budgetvorgaben für die Praxen abzuschaffen.
Der Deutsche Hausärzteverband sprach sich dafür aus, in ländlichen Regionen auf die Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Bereich der Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen zu verzichten. Dies wäre ein starkes Signal an den hausärztlichen Nachwuchs. Auch sollten Hausärzte von Regressen ausgenommen werden. Nach Ansicht des Verbandes hat sich die hausarztzentrierte Versorgung bewährt, die deswegen ausgebaut werden sollte.
Die Bundesärztekammer (BÄK) äußerte sich besorgt über das Vordringen von Kapitalinvestoren in die ambulante Versorgung und forderte klare Regelungen gegen einen Missbrauch von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Der jüngste Trend könnte sich kritisch auf die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen auswirken. Die im Entwurf vorgesehenen Neuregelungen zu den MVZ reichten nicht aus.
Der AOK-Bundesverband unterstützt die Ziele des Gesetzentwurfs, warnte jedoch vor „kleinteiligen Regelungen“ und staatlichen Eingriffen in die Selbstverwaltung. Die Vorlage müsse deutlich nachgebessert werden, um „Unwirtschaftlichkeiten“ zu vermeiden. Zusätzliche Finanzmittel für Vertragsärzte seien „den Beitragszahlern nicht zu vermitteln, wenn sie lediglich Organisationsprobleme innerhalb der Ärzteschaft beheben sollen“. Die Mittel müssten auch mit einer „nachweislichen Verbesserung“ der Versorgungsqualität verknüpft werden. Der Kassenverband sieht auch die geplante Aufhebung der Zulassungssperren für bestimmten Arztgruppen sehr kritisch.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) plädierte hingegen für eine vorübergehende Aufhebung der Zulassungsgrenzen auch für Psychotherapeuten. Vor allem in ländlichen Räumen und im Ruhrgebiet warteten Patienten im Schnitt fünf bis sieben Monate auf den Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung. Die geplante Stufenregelung für die Psychotherapie lehnt der Verband ab. Dies sei diskriminierend und beschränke das Recht auf die freie Arztwahl. Laut Entwurf sollen Patienten, die eine Psychotherapie benötigen, zunächst von einem Experten begutachtet werden, der die Dringlichkeit des Falls bewertet. Mit der 2017 eingerichteten psychotherapeutischen Sprechstunde gebe es bereits eine funktionierende steuernde Stelle, argumentierte die Kammer.
Mit der Weiterentwicklung der Terminservicestellen sollen Patienten noch schneller und umfassender an Ärzte vermittelt werden. Dem Entwurf zufolge werden die Terminservicestellen zu einem Service für die ambulante Versorgung und Notfälle ausgedehnt. Auch Haus- und Kinderärzte sollen vermittelt werden.
Facharztgruppen wie Augenärzte, Frauenärzte oder HNO-Ärzte, die zur Grundversorgung gezählt werden, müssen mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunden anbieten, ohne vorherige Terminvereinbarung. Die Ärzte sollen die zusätzlichen Aufwendungen vergütet bekommen.