Lob und Kritik für Starke-Familien-Gesetz
Berlin: (hib/AW) Die geplante Erhöhung des Kinderzuschlags von 170 Euro auf 185 Euro pro Kind und Monat sowie die Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket werden von Sachverständigen prinzipiell begrüßt. Zugleich warnen sie davor, dass auch zukünftig zu wenige Anspruchberechtigte in den Genuss der Leistungen kommen werden. Dies war der Tenor in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag zu dem von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) vorgelegten Starke-Familien-Gesetzes (19/7504) sowie zwei Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Bekämpfung von Kinderarmut (19/1854, 19/7451).
Der Volkswirtschaftler Holger Bonin vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) begrüßte die Gesetzesreform als „ökonomisch klug“. Die Ausweitung des Kinderzuschlags könne dazu führen, dass mehr von Armut bedrohte Familien vor dem SGB-II-Bezug bewahrt werden. So stellten der Plan, bei Inanspruchnahme des Kinderzuschlags jeden zusätzlich verdienten Euro der Eltern nur noch mit 45 statt wie bisher 50 Prozent anzurechnen, und der Wegfall der sogenannten Abbruchkante positive Erwerbsanreize dar.
Den Wegfall der Abbruchkante und die geringere Anrechnung zusätzlichen Einkommens wurde auch von Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband prinzipiell positiv bewertet. Sie sprach sich zugleich aber für ein echtes Wahlrecht zwischen dem SGB-II-Bezug und dem Bezug des Kinderzuschlags aus, bei dem weder Vorleistungen noch Einkommensgrenzen eine Rolle spielen. Die Evaluierung des Kinderzuschlags durch das Bundesfamilienministerium habe ergeben, dass sich bei einem echten Wahlrecht eine Mehrheit für den Kinderzuschlag entscheiden würde.
Der Humanwissenschaftler Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal bewertete das Starke-Familien-Gesetz skeptisch bis kritisch. Die Erhöhung des Kinderzuschlags und die Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket seien „überfällig“ und reichten vor allem nicht aus, um die verdeckte Armut zu bekämpfen. Schon heute würden lediglich 30 Prozent der Anspruchberechtigten den Kinderzuschlag auch beziehen. Die Bundesregierung selbst gehe davon aus, dass sich dieser Anteil lediglich auf 35 Prozent erhöhen werde. Auf diesen Umstand verwies auch Jana Liebert vom Deutschen Kinderschutzbund. Sie plädierte dafür, den Kinderzuschlag möglichst automatisiert auszuzahlen, wie dies auch die Grünen fordern.
Auch Jürgen Liminski, Publizist und Geschäftsführer des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie, bezweifelte, dass das Starke-Familien-Gesetz seinem Anspruch, Kinder- und Familienarmut zu beheben, erfülle. Er bemängelte ganz prinzipiell, dass die Kindergelderhöhungen der Vergangenheit in keinem Verhältnis zu den gestiegenen Kosten für Familien stünden. Der Erziehungsleistung von Eltern werde nicht ausreichend Rechnung getragen. In der Familienpolitik müsse ein Paradigmenwechsel von der Bedürftigkeit als Kriterium hin zur Leistungsgerechtigkeit eingeleitet werden.
Einhellig begrüßt wurde es von den Sachverständigen, dass die Beantragung des Kinderzuschlags und der Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket vereinfacht werden soll. Karsten Bunk von der Bundesagentur für Arbeit mahnte, dass der Erfolg der Reform des Kinderzuschlags maßgeblich von einer guten Beratung der anspruchsberechtigten Familien abhängen werde. Die Bundesagentur werde deshalb auch eine Online-Beratungsmöglichkeit einführen. Für eine bessere Beratung auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten von Behörden warb Insa Schöningh von der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie. Zudem müsse die Beantragung von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket deutlich entbürokratisiert werden. Um in den Genuss aller Leistungen zu kommen, müsste ein Elternpaar mit zwei Kindern derzeit etwa 17 verschiedene Anträge ausfüllen. Für einen Abbau von Bürokratie durch den Wegfall gesonderter Antragstellung beim Bildungs- und Teilhabepaket warben auch Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag und Nikolas Schelling von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände.