Zeuge: Amri handelte ohne fremde Hilfe
Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) hat ein leitender Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) die Auffassung bekräftigt, dass der Attentäter Anis Amri seinen Terroranschlag im Dezember 2016 ohne fremde Hilfe verübt hat. Auch der als Mittäter verdächtigte Amri-Vertraute Bilel ben Ammar sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit am Tatabend nicht am Ort des Geschehens gewesen, betonte Kriminaldirektor Dominik Glorius in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 52-jährige Zeuge ist seit 2004 beim BKA in Meckenheim bei Bonn tätig und leitet derzeit das Referat ST 25 „Völkerstrafrecht“. Er war seit Juli 2016 zwei Jahr lang in Berlin eingesetzt und dort in führender Funktion an den Ermittlungen beteiligt, die auf den Anschlag am Breitscheidplatz folgten.
Nach dem Attentat seines Freundes Amri war Ben Ammar zehn Tage lang abgetaucht, bevor er am 30. Dezember 2016 festgenommen wurde. Er saß dann gut vier Wochen lang wegen eines Betrugsdelikts in Untersuchungshaft und wurde am 1. Februar 2017 in seine Heimat Tunesien abgeschoben. In dieser Zeit hätten Beamte des BKA ihn zweimal stundenlang vernommen, ohne freilich viel von ihm zu erfahren, sagte der Zeuge. Ben Ammar habe zugegeben, Amri gekannt und ihn am Vorabend der Tat getroffen zu haben, eine radikalislamische Gesinnung aber bestritten. Er habe von Amri in erster Linie Drogen bezogen. Am Tag der Tat, erklärte Ben Ammar, habe er krank zu Bett gelegen. Auch als die Beamten ihm einen Kassenzettel vorlegten, aus dem hervorging, dass er statt dessen in Spandau Einkäufe getätigt hatte, blieb er bei dieser Behauptung.
Glorius betonte, dass Ben Ammar keine konkrete „Unterstützungshandlung“ beim Anschlag nachzuweisen sei. Auch in der Verfügung, mit der der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet habe, sei lediglich die Rede von einem „Anfangsverdacht“ gewesen, er habe Amri „in nicht näher zu bestimmender Art und Weise Beihilfe“ geleistet: „Der Anfangsverdacht hat sich nicht erhärten lassen. Ich habe keine Tathandlung, die ich Ben Ammer zurechnen kann“, sagte der Zeuge. Einen Lastwagen zu kapern, den Fahrer zu erschießen und damit einen Weihnachtsmarkt zu überrollen, sei ohnehin keine Art der Tatbegehung, die sich nur „arbeitsteilig“ bewältigen lasse.
Zwar zeige ein Foto vom Tatort einen Mann in blauen Handschuhen, in dem auch manche seiner Kollegen Ben Ammar erkannt haben wollten, sagte der Zeuge. Es gebe aber andere Bilder, auf denen zu sehen sei, wie derselbe Mann Verletzten erste Hilfe leistete. Zudem hätten jene Beamten, die Ben Ammar in den beiden Vernehmungen gegenüber gesessen hätten, ausgeschlossen, dass er mit dem Mann auf dem ominösen Foto identisch sei. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe Ben Ammar den Tatabend in seiner Flüchtlingsunterkunft verbracht und mit der Gattin in Tunesien Whatsapp-Nachrichten zu Fragen der Ehe und der Kindererziehung ausgetauscht.
Bemerkenswert sei allerdings, dass sich auf seinem Mobiltelefon Fotos vom Breitscheidplatz gefunden hätten, die im Februar und März 2016 entstanden seien. Zu diesem Zeitpunkt indes habe Amri sich zwar schon mit Anschlagsplänen getragen, aber wohl noch nicht daran gedacht, mit einem Lastwagen einen Weihnachtsmarkt zu überrollen. Er habe sich ohnehin selber in den Wochen vor dem Anschlag nicht weniger als zwölfmal am Breitscheidplatz aufgehalten und den Tatort erkundet.
Da Ende Januar 2017 mit hoher Wahrscheinlichkeit Ben Ammars Untersuchungshaft abgelaufen wäre, habe das BKA „im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft“ seine Abschiebung befürwortet, sagte der Zeuge.