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06.05.2019 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 507/2019

Experten-Zuspruch für Grünen-Entwurf

Berlin: (hib/wid) Eine Initiative der Grünen zur Verbesserung der Qualität und Rechtssicherheit von Asylverfahren hat in einer Anhörung des Innenausschusses überwiegenden Zuspruch gefunden. Zugleich übte die Mehrheit der geladenen Sachverständigen am Montag deutliche Kritik an der derzeitigen Praxis. In einem Antrag (19/4853) verlangen die Grünen unter anderem eine unabhängige und kostenlose Rechtsberatung, um Asylsuchende auf ihre Anhörung vorzubereiten, sowie feste Qualitätsstandards für Dolmetscher. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müsse nach dem Prinzip „Qualität vor Schnelligkeit“ arbeiten. Die Fraktion hat darüber hinaus einen Gesetzentwurf (19/1319) vorgelegt, um in Asylverfahren vor Verwaltungsgerichten die Möglichkeit der Berufung an eine höhere Instanz auszuweiten.

In der Anhörung beklagte Belinda Bartolucci, Leiterin der Abteilung Rechtspolitik bei der Hilfsorganisation Pro Asyl, einen Trend zu qualitativ schlechteren Asylentscheidungen. Wo es um Leben oder Tod, körperliche Unversehrtheit oder Folter, Freiheit oder willkürliche Haft gehe, wäre eigentlich besondere Sorgfalt geboten, meinte sie. Im Asylrecht herrsche hingegen der Beschleunigungsgrundsatz mit Schnellverfahren, eingeschränkten Rechtsmitteln und verkürzten Fristen. So sei 2018 jede dritte BAMF-Entscheidung vor Gericht korrigiert worden; Kläger aus Afghanistan seien sogar zu 60 Prozent erfolgreich gewesen. Bessere Entscheidungen entlasteten zugleich die Gerichte, betonte Bartolucci.

Der Gesetzentwurf der Grünen verdiene Zustimmung, sagte auch Professor Uwe-Dietmar Berlit, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, der ebenfalls „erhebliche Qualitätsmängel“ in der Arbeit des BAMF seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen 2015/16 beklagte. Berlit hob die Bedeutung einer unabhängigen Rechtsberatung von Asylbewerbern vor der ersten Anhörung hervor: „Rechtsschutz als Lotterie ist eines Rechtsstaats unwürdig“, sagte er.

Der Jenaer Professor Harald Dörig, Vizepräsident der Europäischen Vereinigung von Migrations- und Asylrichtern, begrüßte die von den Grünen vorgeschlagene Ausweitung der Berufungsmöglichkeit zu oberen Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht als Beitrag zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Es sei ein unhaltbarer Zustand, wenn die Aussicht auf die Asylgewährung auch davon abhänge, in welchem Bundesland ein Bewerber seinen Antrag stelle. Verfahren würden beschleunigt, wenn sich Richter in höherem Maße an oberinstanzlichen Leitentscheidungen orientieren könnten.

Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts in Karlsruhe, Michael Hoppe, wies darauf hin, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit derzeit zu 80 Prozent mit Asylverfahren ausgelastet sei. Sie stehe damit jetzt vor einer ähnlichen Überforderung wie das BAMF in den Jahren 2015 und 2016. Umso wichtiger sei die Kontrolle durch übergeordnete Gerichte, um Rechtsfehler zu vermeiden. Derzeit seien die Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheidungen soweit eingeschränkt, „dass die Qualität nicht vollständig sichergestellt werden kann“

Der Frankfurter Asylanwalt Reinhard Marx rügte die Praxis der „Direktanhörung“ bei den Asylbehörden als Einschränkung der Rechtssicherheit der Betroffenen. Zunehmend werde es zur Regel, dass Asylbewerber bereits eine Woche nach Antragstellung angehört würden. In dieser Frist sei anwaltliche Betreuung kaum zu organisieren. Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts in Göttingen Stefanie Killinger sprach von der deutschen Rechtslage als einer „Asyllotterie“, die dieses Land für Migranten zusätzlich attraktiv mache, denn in einer Lotterie sehe sich jeder als möglichen Gewinner.

BAMF-Präsident Hans-Eckhard Sommer verteidigte seine Behörde. Der Antrag der Grünen zur Qualitätsverbesserung im Asylverfahren sei bereits nicht mehr aktuell. Unter anderem nehme jeder Mitarbeiter des BAMF an jährlich zwei Fortbildungen teil: „Welche andere Behörde in Deutschland investiert derart in Qualität wie mein Amt?“

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