Zeuge berichtet über Ermittlungen
Berlin: (hib/WID) Ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) hat dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) über Ermittlungen gegen das radikalislamische Milieu in der Zeit berichtet, als sich der spätere Attentäter Anis Amri in Deutschland aufhielt. Mit diesem selbst habe er bis zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 allerdings kaum etwas zu tun gehabt, sagte Kriminalhauptkommissar A. S. in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 36-Jährige kam nach Abitur und Wehrdienst zum BKA, wo er nach eigenen Worten seit siebeneinhalb Jahren im Polizeilichen Staatsschutz mit Fahndung und Gefahrenabwehr im Bereich des islamistischen Terrorismus befasst ist.
Bis zum Frühjahr 2016 war der Zeuge an drei Ermittlungs- beziehungsweise Gefahrenabwehr-Vorgängen unter den Codenamen „Pyramide“, „Lacrima“ und „Eisbär“ beteiligt. In der „Eisbär“-Operation leitete er ein vierköpfiges Team, das ausschließlich den Hauptverdächtigen, den Tunesier Sabou Saidani, bearbeitete. Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz wirkte der Zeuge an der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „City“ mit, die die vom Täter und möglichen Komplizen hinterlassenen Spuren auszuwerten hatte. Er leitete hier das Team, das sich mit der Person des Attentäters Amri befasste. Es habe zu Beginn aus vier bis fünf Beamten bestanden und sei in einer Woche auf rund 15 Mitarbeiter angewachsen, sagte der Zeuge. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich die Teamleitung mit einem Kollegen geteilt.
Der 2012 eingeleitete Ermittlungsvorgang „Pyramide“ richtete sich gegen mutmaßliche Komplizen des zum sogenannten Islamischen Staat (IS) nach Syrien ausgereisten deutschen Islamisten Dennis Cuspert. Er selbst, sagte der Zeuge, sei später dazu gestoßen und habe hier die Aufgabe gehabt, Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen auszuwerten. Als Cuspert aus Syrien zunehmend wilde Drohungen gegen Deutschland ausstieß, leitete das BKA den Gefahrenabwehr-Vorgang „Lacrima“ ein. Von einer in diesem Zusammenhang eingesetzten Vertrauensperson kam im Frühsommer 2015 der Hinweis auf drei IS-Terroristen, die nach Deutschland eingereist seien; ein vierter sei unterwegs. Am 8. Juli 2015 identifizierte das BKA Sabou Saidani als Kontaktmann Cusperts.
In der Folge kam der Ermittlungsvorgang „Eisbär“zustande, der sich gegen Saidani und zwei weitere Tunesier richtete. Anfang Oktober stellten die Fahnder fest, dass in Telefonaten des Trios die Rede davon war, die „Säulen von Berlin“ müssten einstürzen, die Stadt müsse „brennen“. Die Wohnung der Verdächtigen wurde daraufhin fast einen Monat lang überwacht und anschließend durchsucht. Es hätten sich aber weder Waffen noch Sprengstoff gefunden, sagte der Zeuge.
Nach seinen Worte war Saidani insgesamt als durchaus gefährlich einzuschätzen. Er habe in Tunesien einer Spezialeinheit angehört, mithin über militärische Kenntnisse verfügt. In einem Berliner Fitnessstudio habe er Kampfsport unterrichtet. Im Internet habe er unablässig IS-Propaganda konsumiert und öfters davon geredet, nach Syrien in den Heiligen Krieg ziehen zu wollen. Es habe indes zu keinem Zeitpunkt einen „hinreichenden dringenden Tatverdacht“ gegeben, der einen Haftbefehl gerechtfertigt hätte. Schließlich sei es gelungen, den Fall Saidani „ausländerrechtlich zu bearbeiten“. Im Februar 2016 sei der Mann über die Schweiz, wo er vor der Einreise nach Deutschland bereits einen Asylanrag gestelt hatte, nach Tunesien abgeschoben.