Digitalwährung Libra stößt auf Skepsis
Berlin: (hib/SCR) Bei der von Facebook und einem Unternehmenskonsortium vorangetriebenen Digital-Währung Libra sehen Sachverständige noch Klärungs- sowie teils erheblichen Regulierungsbedarf. Bei einem Fachgespräch im Ausschuss Digitale Agenda am Mittwochnachmittag warnten die geladenen Experten und Institutionenvertreter vor möglichen Folgen der geplanten Krypto-Währung und mahnten rechtliche Klarstellungen und eine umfassende Regulierung an. Zudem thematisieren Abgeordnete und die Experten Potentiale der Blockchain-Technologie im Allgemeinen und die Idee eines digitalen Zentralbankgeldes.
Ein Konsortium um unter anderem Facebook, Visa, Mastercard, PayPal und Uber, die Libra Association, hatte Mitte Juni diesen Jahres angekündigt, im kommenden Jahr eine „digitale Währung“ namens Libra einzuführen. Über die Integration in populäre Diensten wie Messenger oder WhatsApp soll es damit Nutzern ermöglicht werden, gängiges Geld gegen Libra-Coins ein- und untereinander auszutauschen. Die Association will damit laut eigenem Bekunden vor allem Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen. Libra orientiert sich an der Krypto-Währung Bitcoin und baut auf einer Blockchain-Technik auf. Neben deutlichen Unterschieden im technischen Verfahren soll Libra laut Konzept im Gegensatz zum äußerst volatilen Bitcoin im Wert stabil gehalten werden (Stablecoin). Dazu soll jeder digital geschaffene Libra-Coin mit bestimmten Fiat-Währungen beziehungsweise Staatsanleihen gedeckt werden.
Die Ankündigung hatte zu teils scharfen Reaktionen von Zentralbankern und Regierungen geführt. In dem Fachgespräch sagte Benoît Coeuré, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Libra-Pläne ein „Wake-Up-Call“ für Regierungen und Zentralbanken gewesen seien. Das Vorhaben führe zu zahlreichen regulatorischen Herausforderungen, eine international kohärente Regulierung müsse angestrebt werden. Dabei müsse das Prinzip „same business, same risk, same rules“ gelten, sagte Coeuré. Beim Thema digitales Zentralbankgeld seien noch viele Fragen offen, betonte der EZB-Vertreter. Das gelte für die technische Umsetzung und die Rolle, die die Blockchain-Technologie dabei einnehmen könne, ebenso wie für die Architektur des Systems, ob etwa der wie auch immer geartete digitale Euro nur über das bestehende Bankensystem ausgeben wird oder direkt an die Bürger. Im letzteren Fall müssten die Auswirkungen auf das Geschäftsbanken-System und auf die Finanzstabilität beachtet werden, sagte Coeuré.
Darauf wies auch Markus Becker-Melching vom Bundesverband deutscher Banken hin. Sollte ein digitaler Euro direkt über die Zentralbanken offeriert werden, könne das den Sinn kurzfristiger Einlagen bei den Geschäftsbanken in Frage stellen und damit die Fähigkeit dieser Banken, kurzfristige Kredite zu vergeben, warnte Becker-Melching. Der Verbandsvertreter schloss sich zudem Coeurés Forderung nach gleichartiger Regulierung an: Technologieunternehmen, die Bankdienstleistungen anbieten wollen, sollten auch so reguliert werden. Grundsätzlich werde „programmierbares Geld“ künftig eine wichtige Rolle spielen, etwa beim Thema „Smart Contracts“ und Industrie 4.0, sagte Becker-Melching. In seiner schriftlichen Stellungnahme führte er aus, dass noch unklar sei, wer Emittent dieser Geldform sein wird. Die deutschen Banken würden sich dazu in der Lage sehen, schrieb der Verbandsvertreter.
Ebenfalls für eine umfassende Regulierung von Libra sprach sich die Finanzmarktwissenschaftlerin Michaela Hönig von der Frankfurt University of Applied Sciences aus. Ohne eine solche Regulierung könne eine „systemische Gefahr für den Finanzsektor“ entstehen, warnte Hönig. So könne die Libra Association durch die Eins-zu-eins-Deckung „in kurzer Zeit zu einer der weltweit größten Vermögensverwalter und somit zu einem 'too big to fail' Akteur werden“. Sie müsste entsprechend wie „ein vergleichbares Kreditinstitut oder ein Zahlungsverkehrsdienstleister dieser Größenordnung“ reguliert und aufsichtsrechtlich überwacht werden, führte Hönig in ihrer Stellungnahme aus.
Für eine Klarstellung im Bundesbankgesetz sprach sich Ralph Bärligea von der Unternehmensberatung BearingPoint aus. Die strafbewehrte Regelung im Paragraf 35 des Gesetzes („Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen“) beispielsweise müsste hinsichtlich ihrer Bedeutung für Krypto-Währungen beziehungsweise Krypto-Token geklärt werden. Andernfalls sei zu befürchten, „dass dies Finanzwesen und Wirtschaft in Deutschland von einer aktiven Beschäftigung mit Krypto-Währungen abschreckt“, führte Bärligea in seiner Stellungnahme aus.
Klaus Himmer (21 Consulting GmbH/CryptoTax) betonte, dass die Blockchain-Technologie im Finanzbereich zahlreiche Potentiale biete. So ließen sich Vorschriften und Regularien technisch im Sinne eines „Compliance by Design“ integrieren. Himmer thematisiert zudem steuerrechtliche Probleme beim Einsatz von Krypto-Währungen. Katharina Gehra (Immutable Insight GmbH) verwies darauf, dass bei der Blockchain-Technologie noch viele Optionen offen seien. Man stehe ganz am Anfang, damit bestehe auch noch die Möglichkeit, zu gestalten, sagte Gehra.
Für ein regulatorische Verhinderung beziehungsweise ein Verbot von Libra sprach sich Oliver Leistert (Leuphana Universität Lüneburg) aus. Gerade mit Blick auf die Folgen für ärmere Länder müsse dem „Kolonisierungsprojekt aus Silicon Valley“ Einhalte geboten werden, forderte Leistert. Digitalen Währungen attestierte der Wissenschaftler grundsätzlich ein positives Potential. Sie könnten ein Hilfsmittel zur Transformation in eine „Postwachstumsgesellschaft“ sein.