+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

21.10.2019 Europa — Anhörung — hib 1163/2019

Experten fordern höheren EU-Haushalt

Berlin: (hib/JOH) Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag für einen langfristigen Haushaltsplan (MFR) der Europäischen Union von 2021 bis 2027 stößt bei vielen Experten grundsätzlich auf Zustimmung, geht vielen jedoch nicht weit genug. So appellierten am Montagnachmittag zahlreiche Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses auch an die Bundesregierung, sich für ein noch höheres EU-Budget einzusetzen.

„Die EU befindet sich in einem internationalen Innovationswettbewerb“, betonte unter anderem Klaus Günter Deutsch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Um in diesem zu bestehen, seien höhere Gemeinschaftsausgaben und eine in sich stimmige industriepolitische Strategie unabdingbar. So sollten die Ausgaben für das künftige Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation, Horizont Europa, „nicht unter 120 Milliarden Euro“ liegen. Auch die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels müssten aufgestockt werden.

Margit Schratzenstaller-Altzinger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) betonte den Mehrwert der Europäischen Union für alle Mitgliedstaaten, der über das reine Kosten-Nutzen-Niveau hinausgehe. „Die Herausforderungen sind größer denn je“, sagte sie mit Blick auf Digitalisierung, Klimawandel und Zuwanderung. „Doch so, wie der EU-Haushalt derzeit aufgestellt ist, ist sein Beitrag zu Lösungen relativ begrenzt.“

Für die EU-Kommission hatte Andreas Schwarz zuvor den im Mai vorgelegten Vorschlag präsentiert. Danach müsse von 2021 bis 2027 jeder der nach dem Brexit nur noch 27 Mitgliedstaaten 1,11 Prozent seines Bruttonationaleinkommens an die EU entrichten statt wie derzeit 1,03 Prozent. Um den Aufwuchs des Finanzrahmens zu begrenzen, solle es „moderate Kürzungen“ bei der Gemeinsamen Agrarpolitik und den Kohäsions- und Strukturfonds geben. Schwarz machte allerdings deutlich, dass auch er für einen „modernen Haushalt“ ein höheres Budget für notwendig hält. „Ein zu niedriger Finanzrahmen kann zu Lasten der modernen Politiken gehen“, warnte er, sprach jedoch von „starken Beharrungstendenzen“ bei den Mitgliedstaaten in den Bereichen Landwirtschaft und Kohäsion.

Die sieht auch Berthold Busch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die stärkere Orientierung der Ausgabenstruktur an den neuen Herausforderungen zulasten der traditionellen Aufgaben scheint auf erheblichen politischen Widerstand in den Mitgliedstaaten zu stoßen“, bemerkte er. Man könne jedoch nicht „den Rahmen eng begrenzen und neue Prioritäten definieren, aber bestehende Ausgabenblöcke zum Tabu erklären“.

Dass die Mitgliedstaaten traditionelle Ausgabetöpfe im Laufe der Verhandlungen immer schützen, müsse zu politischen Konsequenzen führen, betonte Lucas Guttenberg vom Jacques Delors Institut. „Wir werden einen größeren Finanzrahmen brauchen als den bisher vorgeschlagenen“, stellte er klar. Auch die Bundesregierung solle höhere Beiträge zahlen und dafür im Rahmen von Maastricht bereit sein, Schulden machen. „Wir brauchen einen Haushalt, der mit den Anforderungen korrespondiert, den wir an die EU stellen“, mahnte er.

Professor Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) betonte, vor einer Ausdehnung des EU-Budgets über die bisherige Größenordnung von einem Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens hinaus sollten zunächst interne Finanzierungsspielräume genutzt werden - „durch Umschichtungen von den Transferpolitiken in die neuen Politikfelder mit überzeugendem europäischen Mehrwert“. Außerdem sollten die Förderansprüche wohlhabender Regionen zurückgefahren und die Kohäsionsmittel auf bedürftige Regionen konzentriert werden. 

Kritik übte er wie auch Pieter Cleppe von der britischen Denkfabrik Open Europe an den Direktzahlungen für die landwirtschaftlichen Betriebe. Sie seien nicht zielgenau, weil es keine Bedürfnisprüfung gebe. Sie sollte die EU auslaufen lassen oder in ein Instrument zur Bepreisung messbar erbrachter europäischer Umweltgüter transformieren, forderte Heinemann, der sich zudem für eine Rechtsstaatskonditionalität bei der Mittelvergabe aussprach.

Cleppe sprach ebenfalls von „kontraproduktiven Maßnahmen“ und befürwortete eine grundlegende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Unter anderem sollte es seiner Ansicht nach keine Direktzahlungen mehr für jene in Europa geben, „die nicht zu den Ärmsten gehören“.

Susanne Wixforth vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wertete die geplanten Kürzungen bei den Agrar- und Strukturfonds hingegen negativ. Sie forderte ein EU-Budget in Höhe von 1,3 Prozent der Bruttonationaleinkommens und einen „Marshallplan für Europa“. Dessen Schwerpunkte sollten die Stärkung der sozialen Rechte und die Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele („Agenda 2030“) sein.


Marginalspalte