Chefs der Nachrichtendienste in Anhörung
Berlin: (hib/STO) Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages hat am Dienstag zum dritten Mal in seiner Geschichte die Spitzen der Nachrichtendienste des Bundes in einer öffentlichen Anhörung gehört. Bei der jährlichen Veranstaltung stellten sich die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sowie des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), Christof Gramm, den Fragen der Abgeordneten.
Haldenwang verwies darauf, dass er bereits vor einem Jahr vor einer „Lageverschärfung im Rechtsextremismus“ gewarnt habe. Dieser Trend habe sich seitdem bestätigt, auch wenn das rechtsextremistische Personenpotenzial mit rund 24.100 Personen auf hohem Niveau stagniere. Von diesen würden die Hälfte als gewaltorientiert eingeschätzt. Bereits Anfang 2018 habe sein Amt prognostiziert, dass sich künftig terroristische Ansätze auch außerhalb der etablierten Szene bilden könnten. „Wir erkannten in allein handelnden Personen sowie in Kleingruppen potenzielle Täter, die sich über abgeschirmte Kommunikation im Internet radikalisieren und vernetzen“, betonte der BfV-Chef. Im Verbund mit anderen Sicherheitsbehörden habe man derartige Gruppen identifizieren und stoppen können.
Auch die Einschätzung zum Gefahrenpotenzial terroristischer Attentäter, die sich im Internet radikalisieren und dann alleine agieren, habe sich leider als berechtigt erwiesen, fügte Haldenwang hinzu. So habe der Täter des Anschlags von Halle nach bisherigen Erkenntnissen „seinen Plan bis zur Tat mit niemandem geteilt“.
Die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus hat sich laut Haldenwang „lediglich stabilisiert, und zwar auf hohem Niveau“, wenngleich das islamistisch-terroristische Personenpotenzial nach seinen Worten im Vergleich zum Vorjahr leicht auf rund 2.170 Personen gesunken ist. Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten gab der BfV-Chef mit 9.000 an.
Er bekräftigte zugleich den „Bedarf an rechtlichen Befugnissen“ wie der Online-Durchsuchung oder der Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Dieser Bedarf habe sich in den vergangenen Jahren verschärft. „Wir müssen die Gegner unserer Demokratie überall dort stellen, wo sie aktiv sind - auch im Cyber-Raum“, unterstrich Haldenwang.
Gramm betonte, seit der öffentlichen Anhörung im vergangenen Herbst sei auch für den Militärischen Abschirmdienst das Thema Rechtsextremismus in den Vordergrund getreten. Es gebe in Deutschland wieder einen „Nährboden, auf dem Extremismus, Antisemitismus und Rassismus wachsen können“. Dies gelte insbesondere für die Foren und sozialen Netzwerke im Internet.
Auch der MAD stelle sich dieser Bedrohung und habe bereits mit zahlreichen Maßnahmen reagiert, sowohl mit Blick auf die Organisation als auch mit Blick auf seine Arbeitsweisen und auf das Personal, fügte Gramm hinzu. So wachse der MAD personell seit rund zwei Jahren „kontinuierlich auf“, was sich weiter fortsetzen werde. Organisatorisch gestärkt würden die Bereiche Extremismusabwehr und Spionageabwehr, die seit dem 1. Oktober getrennt seien. Dabei werde die Abteilung Extremismusabwehr mit Priorität ausgebaut.
Die Zahl der vom MAD bearbeiteten Verdachtsfälle ist nach den Worten Gramms seit 2017 kontinuierlich angestiegen. Zurzeit bewege man sich bei rund 500 Verdachtsfällen alleine im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Die Zahl der „im Ergebnis tatsächlich erkannten Extremisten“ bewege sich indes seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau und liege über alle Phänomenbereiche hinweg bei rund zehn Personen pro Jahr, von denen die Hälfte Rechtsextremisten seien. Zusätzlich zu den zehn erkannten Extremisten habe man derzeit rund 30 Personen in der Bundeswehr identifiziert, bei denen Erkenntnisse über fehlende Verfassungstreue vorliegen. Nicht nur Extremisten, sondern auch „Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue haben in der Bundeswehr nichts verloren“.
Kahl sagte, wenn für die Politik immer schwerer kalkulierbar sei, „wo welcher Brandherd wann und in welcher Intensität aufflammt“, steige der Wert der Informationen und Analysen des BND als deutschem Auslandsnachrichtendienst. Damit die Herausforderungen gemeistert werden könnten, müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehörten neben qualifiziertem Personal und einer „technischen Ausstattung auf der Höhe der Zeit“ auch „gesetzliche Befugnisse, die den tatsächlichen Bedrohungen entsprechen“, sowie eine noch engere Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden.
Dabei müssten Fähigkeiten und Befugnisse mit der technischen Entwicklung und dem digitalen Wandel mithalten, mahnte der BND-Präsident. Es dürfe „nicht sein, dass nur Kriminelle und Terroristen auf dem neusten Stand der Technik sind und wir als Sicherheitsbehörden aus rechtlichen Gründen uns künstlich blind und taub machen“. Wenn sich beispielsweise ein deutscher Gefährder im Ausland im Aufklärungsbereich des BND bewege und verschlüsselt über sein Smartphone kommuniziere, dürfe der Bundesnachrichtendienst nach geltendem Recht nicht verdeckt in sein Mobiltelefon eindringen, „obwohl ausländische Dienste uns darauf hinweisen, dass die Person in terroristische Aktivitäten oder in die Schleusung von Migranten verstrickt ist“. Hier „sollte auch der BND eine Rechtsgrundlage bekommen, wie sie das Bundeskriminalamt bereits besitzt“, fügte Kahl hinzu.