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04.11.2019 Finanzen — Anhörung — hib 1216/2019

Soli-Teilabschaffung begrüßt

Berlin: (hib/HLE) Die von der Bundesregierung geplante teilweise Abschaffung des steuerlichen Solidaritätszuschlages ab 2021 ist von mehreren Sachverständigen als Schritt in die richtige Richtung begrüßt worden. Über weitere Schritte gingen die Meinungen in einer vom stellvertretenden Vorsitzenden Albrecht Glaser (AfD) geleiteten öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag aber weit auseinander. Die Forderungen reichten von einer völligen Abschaffung des Zuschlags bis zur Integration in den Einkommensteuertarif.

Nach Ansicht von Reiner Holznagel, dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, entfällt die Begründung für die Erhebung des Solidaritätszuschlages mit dem in diesem Jahr auslaufenden Solidarpakt II. Daher wäre es folgerichtig, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Der Entwurf der Bundesregierung gehe aber in die richtige Richtung, auch wenn sich der Bund der Steuerzahler eine vollständige Abschaffung gewünscht hätte. Auch der Präsident der Handwerkskammer München und Oberbayern, Franz Xaver Peteranderl, unterstützte die Zielrichtung des Gesetzentwurfs. Aus Sicht des Handwerks sollte der Solidaritätszuschlag aber vollständig abgeschafft werden, weil er Investitionen im Handwerk beeinträchtige.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/14103) sieht vor, dass der Solidaritätszuschlag in einem ersten Schritt zugunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt werden soll. Durch die Anhebung der Freigrenze und die Einführung einer neuen Milderungszone sollen 90 Prozent aller bisherigen Zahler des Zuschlags von der Zahlung befreit werden. Das Entlastungsvolumen soll ab 2021 9,8 Milliarden Euro betragen und 2022 auf 11,2 Milliarden Euro steigen. Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung werde der Solidaritätszuschlag nur teilweise zurückgeführt, heißt es in dem Entwurf. Außerdem ging es in der Anhörung um einen Gesetzentwurf der FDP Fraktion (19/14286), der die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags zum Ziel hat.

Nach Darstellung von Professor Henning Tappe (Universität Trier) gibt es zwischen dem Solidarpakt II und dem Solidaritätszuschlag keinen Zusammenhang, da Steuern nicht zweckgebunden seien. Tappe erklärte in seiner Stellungnahme, er halte im Einklang mit der bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung den Solidaritätszuschlag für verfassungsgemäß. Professor Frank Hechtner (Technische Universität Kaiserslautern) bezeichnete die Rückführung des Solidaritätszuschlags nach dem vorliegenden Gesetzentwurf als „noch verfassungsrechtlich haltbar“. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass ein Abbau des Solidaritätszuschlags über einen fiskalisch vertretbaren Zeitraum zu erfolgen habe. Das vorliegende Gesetzesvorhaben sei eingekleidet in einen längeren Prozess, indem der Solidaritätszuschlag insgesamt abgebaut werden solle. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn auch die nächsten Schritte zum vollständigen Abbau des Zuschlags bereits festgelegt worden wären, so Hechtner.

Ganz anders argumentierte der Rechtsanwalt und frühere Finanzrichter Michael Balke, der den Solidaritätszuschlag gleich in mehrfacher Hinsicht als verfassungswidrig bewertete. So würden derzeit Freiberufler, Arbeitnehmer und Vermieter bei gleich hohem Einkommen mehr Solidaritätszuschlag zahlen als Gewerbetreibende und Bezieher ausländischer Einkommen. Außerdem erklärte Balke, die Besserverdienenden, die sowieso schon seit 1991 die Hauptlast der ungleichen Dauersonderbelastung zu tragen hätten, würden nicht wie über 90 Prozent der Steuerzahler endlich entlastet, sondern müssten weiterzahlen.

Für den Bundesrechnungshof ist die Gefahr, dass der Bund wie im Fall der Kernbrennstoffbesteuerung zu einer milliardenschweren Steuerrückzahlung verurteilt wird, „nicht von der Hand zu weisen“. Denn die Erhebung der Ergänzungsabgabe erfordere als Voraussetzungen eine finanziell relevante Aufgabe des Bundes, die vorübergehender Natur sei, sowie eine schwierige Haushaltslage, die eine finanzielle Deckung dieser Aufgabe aus den laufenden Einnahmen nicht ermögliche. „Die Zulässigkeit einer Ergänzungsabgabe beschränkt sich somit auf einen temporären besonderen Finanzbedarf für einen spezifischen Zweck. Der Bund darf sich kein zeitlich unbegrenztes Zuschlagsrecht im Bereich der Steuern vom Einkommen schaffen. Dies ist im Grundgesetz nicht vorgesehen“, argumentierte der Bundesrechnungshof, der auch feststellte: „Der Solidaritätszuschlag hat 25 Jahre nach seiner Einführung seine Finanzierungsaufgabe - die Mitfinanzierung der Wiedervereinigung - erfüllt. Seine Aufrechterhaltung würde ihn zu einem Fremdkörper innerhalb des Steuersystems machen.“

Der Verband der mittelständischen Wirtschaft bezeichnete den Hinweis auf immer noch bestehenden Finanzierungsbedarf der Wiedervereinigung als vorgeschobenes Argument. Finanzielle Spielräume seien in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen vorhanden. Der Verband der Familienunternehmen verwies auf die besonders hohe Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland. Eine Vollabschaffung des Zuschlags würde helfen, notwendige Investitionen durchzuführen.

Jürgen Brandt (Bergische Universität Wuppertal) erklärte, er habe keine durchgreifenden Bedenken gegen das Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung. Auch die kritisierte Nichteinbeziehung von Körperschaftsteuerpflichtigen bei der geplanten Abschmelzung des Solidaritätszuschlags stehe nicht im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot.

Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung erklärte, eine Teilabschaffung des Zuschlags sei kaum geeignet, Bezieher unterer Einkommen zu entlasten. Soweit verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden, könne diesen leicht durch die Integration des Solidaritätszuschlags in die zu Grunde liegenden Steuern begegnet werden. Auch vom Steuerberaterverband hieß es, man müsse sich Gedanken machen, ob der Solidaritätszuschlag in den Spitzensteuersatz integriert werden könne.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin stellte in seiner Stellungnahme fest, drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung habe der Solidaritätszuschlag seine Aufgabe erfüllt, die hohen Kosten der Transformation in den neuen Bundesländern zu finanzieren. Mit der Zielsetzung, den Solidaritätszuschlag ab 2021 für hohe Einkommen weiter zu erheben, gehe der Gesetzgeber in die richtige Richtung. Mittelfristig sollte der Zuschlag vollständig abgeschafft werden, indem er auf hohe Einkommen in den Einkommensteuertarif integriert werde. Die damit verbundenen Steuereinnahmen in Höhe von sieben bis acht Milliarden Euro sollten für Entlastungen beim Grundfreibetrag, beim Mittelstandsbauch der Einkommensteuer, bei den Sozialbeiträgen oder bei der Mehrwertsteuer verwendet werden.

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