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04.11.2019 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 1221/2019

Aufnahme von Flüchtlingen in Kommunen

Berlin: (hib/FLA) Die Forderung nach einem stärkeren eigenen Spielraum der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist von Experten teils nachdrücklich begrüßt, teils mit erheblichen juristischen Bedenken versehen worden. Dabei ging es nicht zuletzt um das Bündnis „Sichere Häfen“, bei dem inzwischen schon mindestens 115 Städte und Gemeinden aus dem Mittelmeer geretteten Menschen Aufnahme und Schutz bieten wollen. Basis bei der öffentlichen Anhörung von sieben Sachverständigen im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Jochen Haug (AfD) waren zwei ähnlich pro-kommunale Anträge der Linksfraktion (19/8648) und Bündnis 90/Die Grünen (19/9275).

Uda Bastians vom Deutschen Städtetag meinte, eine Lösung für die Flüchtlings-Problematik könne es nur auf europäischer Ebene geben. Dazu gehörten auch die Fragen, wohin die aus Seenot geretteten Menschen zunächst gebracht würden und wie ein fairer Verteilmechanismus in der EU aussehen könne. Es bedürfe einer Finanzierungslösung, die den Städten eine nachhaltige und dauerhafte Unterstützung bei der Integration bietet. Die Kommunen seien mit hohen Ausgaben belastet. Die Entlastungen müssten dort ankommen, wo die Belastungen aufträten.

Professor Kay Hailbronner (Universität Konstanz) wandte sich gegen die in den Anträgen erhobene Forderung, dass die Kommunen ihre Aktivitäten in der Flüchtlingspolitik dem Bundesinnenministerium nur anzuzeigen hätten statt eine Zustimmung einholen zu müssen. Das sei mit den Prinzipien des deutschen Aufenthaltsrechts nicht vereinbar. Das Ministerium habe auf bundespolitische Belange bei der Steuerung der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen zu achten. Generell verbiete das geltende Recht den Kommunen nicht, über die Quote hinaus freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen.

Helene Heuser (Universität Hamburg) betonte, dass der Flüchtlingsschutz auch bei einer kommunal initiierten Aufnahme weiterhin eine staatliche Aufgabe bleibe, die von Bund und Ländern zu erfüllen sei. Dass Kommunen zusätzlich freiwillig Schutzsuchende aufnehmen wollten, ändere daran nichts. Sie unterstrich, dass das Selbstbestimmungsrecht der Städte und Gemeinden lediglich eine freiwillige zusätzliche Aufnahme umfasse, nicht hingegen die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen, die ihnen durch den Staat zugewiesen werden. Sie forderte ein neues Gesetz, das eigenständiges Vorgehen der Kommunen ermöglicht.

Professor Marcel Kau (Universität Konstanz) wies darauf hin, dass die außenpolitischen Gestaltungsspielräume der Länder grundsätzlich restriktiv zu interpretieren seien. „Nebenaußenpolitiken“ der Länder und gegebenenfalls noch zusätzlich der Kommunen seien gegenwärtig weder verfassungsrechtlich zulässig noch außenpolitisch geboten. Die Städte und Gemeinden seien ungeachtet der garantierten kommunalen Selbstbestimmung Teile der Länder und begründeten keine eigene Ebene der Staatlichkeit.

Klaus Riten vom Deutschen Landkreistag gab zu bedenken: Wenn Kommunen zu einer eigenständigen Flüchtlingspolitik ermächtigt würden, würde die Entscheidung über die konfliktträchtige und die Bürgerschaft potenziell spaltende Frage der Flüchtlingsaufnahme auf die kommunale Ebene verlagert, was das Zusammenleben vor Ort beeinträchtigen könne. Es sei nicht zu verkennen, dass Aufnahmeprogramme einzelner Landkreise, Städte oder Gemeinden den Zusammenhalt der Kommunen untereinander gefährden könnten. Finanzhilfen des Bundes zugunsten der Kommunen seien enge Grenzen auferlegt.

Professor Gesine Schwan (Humboldt-Viadrina Governance Platform) begrüßte die Forderung nach einem europäischen Integrations- und Entwicklungsfonds, bei dem sich Gemeinden bewerben können, die sich bereit erklären, Flüchtlinge aufzunehmen. Von diesem Fonds sollen sie die Finanzierung der Integrationskosten erstattet bekommen - und in derselben Höhe Kosten ihrer eigenen Weiterentwicklung wie Infrastruktur, Bildung oder Wohnen. Politik, Unternehmen und organisierte Zivilgesellschaft sollten die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen vorbereiten, um sie in der kommunalen Gesellschaft breiter abzustützen und zu verankern.

Der Oberbürgermeister von Potsdam, Mike Schubert (SPD) - von dort werden die „Sicheren Häfen“ bundesweit koordiniert - strich heraus, dass das Bündnis „quer durch die politische Farbenlehre“ gehe. Erst komme die Rettung, dann das rechtsstaatliche Verfahren. Das eine hebele das andere nicht aus. Die Bundestagsabgeordneten müssten nach einer Lösung für die in der Anhörung aufgeworfenen rechtlichen Fragen suchen. Das Städtebündnis stufte er als „Signal nach Europa“ ein.

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