Expertenkritik an Kassenreformgesetz
Berlin: (hib/PK) Die geplante Neujustierung des Finanzausgleichs der Krankenkassen wird von Gesundheitsexperten unterstützt, jedoch werden einige Regelungen des Gesetzentwurfs (19/15662) kritisch hinterfragt. Das zeigte sich am Mittwoch in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu der Vorlage. Die Experten äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Mit der Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) soll der Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen zielgenauer ausgestaltet werden. Mit der Novelle sollen zudem Versuche von Kassen unterbunden werden, die Diagnosen der Ärzte zu beeinflussen. Wenn sich Diagnosekodierungen bei bestimmten Krankheiten auffällig erhöhen, sollen die Kassen dafür keine Zuweisungen mehr bekommen. Auch sollen generell vertragliche Regelungen künftig unzulässig sein, bei denen bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für die Vergütung vorgesehen werden.
Beim GKV-Spitzenverband wird außerdem ein Lenkungs- und Koordinierungsausschuss (LKA) geschaffen, der mit Vorstandsmitgliedern der Krankenkassen besetzt werden soll. Damit soll die operative Anbindung des Spitzenverbandes an die Kassen gestärkt werden.
Der Sachverständige Uwe Klemens, zugleich alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes, hält diese Neuregelung für einen schweren Eingriff in die Selbstverwaltung. Der Vorstand des Verbandes werde schon durch den Verwaltungsrat überwacht. Vertreter des Spitzenverbandes schlugen in der Anhörung vor, ein beratendes statt entscheidendes Gremium zu schaffen.
Der Mediziner Werner Baumgärtner sieht das Verbot von Diagnosen in Versorgungsverträgen kritisch. Offenbar diene die Reform des Morbi-RSA allein der Abwehr von Manipulationen. Die geplante Regelung sei unverhältnismäßig und greife substanziell in die Gestaltung der Versorgungsverträge ein. Damit würden Versorgungskonzepte konterkariert, die Experten sei Jahren forderten, um Koordinations- und Steuerungsdefizite im Gesundheitswesen abzubauen.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) sieht Korrekturbedarf beim Umgang mit Versorgungsformen. Durch die geplanten Änderungen würden jahrelang erarbeitete und gelebte innovative Versorgungsansätze in den Regionen gefährdet. Die intendierte Entkoppelung von Diagnosen in Versorgungsverträgen würde sich kontraproduktiv auswirken.
Der DGB merkte an, die geplanten Vorhaben beträfen wesentliche Grundlagen der Gesundheitsversorgung und seien daher in ihrer Tragweite nicht zu unterschätzten. Die meisten Ansätze zur Reform des Morbi-RSA würden auch begrüßt. Ob mit der Regionalkomponente mehr Gerechtigkeit in der Kostendeckung und Zielgenauigkeit erreicht werden könne, sei jedoch im Voraus nicht eindeutig zu beurteilen.