Ministerin „entsetzt und befremdet“
Berlin: (hib/FLA) In der Berateraffäre stellte das Verteidigungsministerium in einer internen Verwaltungsermittlung zwar die rechtswidrige Vergabe von Leistungen an externe Firmen fest. Dies blieb aber zunächst ohne personelle Konsequenzen. Erst nach weiteren Ermittlungen wurden inzwischen zwei Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Dies hat der Abteilungsleiter Recht des Ministeriums, Andreas Conradi, als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses berichtet.
Dabei gehe es unter anderem darum, dass in einem Fall ein IT-Unternehmen bereits mit Arbeiten beauftragt worden war, noch bevor das Vergabe-Verfahren abgeschlossen gewesen sei. Beim für Vergaben zuständigen Bundesamt für Ausrüstung, Information und Nutzung der Bundeswehr (BAINBw) sei ein Disziplinarverfahren abgeschlossen worden, ohne dass es Konsequenzen gegeben habe.
Die Sitzung unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) endete mit einer ungewöhnlichen Vernehmung. Der Abgeordnete Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) schied vorübergehend als Ausschussmitglied aus und wechselte auf einen Zeugensessel. Dabei brachte er seinen Chat mit der damaligen Ministerin Ursula von der Leyen vom 8. November 2018 in die Untersuchungen ein. Wie schon am Rande der letzten Sitzung im Dezember zur Sprache kam, wünschte sie Lindner gegen drei Uhr ein „Gut's Nächtle“ und teilte mit: „Ich gehe nun ins Bett.“
Vorher waren beide bei der Sitzung des Haushaltsausschusses zusammengetroffen. Dabei ging es auch um die Entlassung des Geschäftsführers der bundeseigenen BWI, dem IT-Dienstleister der Bundeswehr. In diesem Zusammenhang schickte von der Leyen eine erste SMS an Lindner: „Können Sie kurz rauskommen, ich habe eine wichtige Info für Sie.“ Der hatte nach eigenem Bekunden den Eindruck, dass das Ministerium die Abgeordneten mit dem Hinweis auf Differenzen zwischen Geschäftsführer und Aufsichtsrat nicht über die wahren Gründe der Entlassung informierte. Tatsächlich wurde wohl dem geschassten Chef die freihändige Vergabe eines millionenschweren Beratervertrags vorgeworfen. Der Vorgang war vergangenes Jahr auch im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre erörtert worden.
Lindner wollte, wie er sagte, mit der Veröffentlichung des Chats verdeutlichen, dass zumindest diese SMS einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses haben. Freilich wurden von der Leyens Handy-Daten im Verteidigungsministerium gelöscht, obwohl sie als Beweismaterial für den Ausschuss eingestuft waren. Lindner hat deswegen Strafanzeige gestellt.
Im Mittelpunkt der Sitzung stand der Umgang der Ministeriums-Leitung mit den Rügen des Bundesrechnungshofs zur Vergabe-Praxis. Von der Leyen sei „befremdet und entsetzt“ gewesen, als sie von den Vorgängen erfuhr, sagte Staatssekretär Gerd Hoofe. Auf allen Verwaltungsebenen seien Fehler gemacht worden, erklärte er. Doch bei der möglichen Schuldzuweisung an eine Person komme es auch darauf an, ob eine „Erheblichkeitsgrenze“ überschritten worden sei, ob jemand vorsätzlich zum Nachteil von Dritten oder dem Bund gehandelt habe. Deshalb seien jetzt die zwei Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
Hoofe verwies auf eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen, um künftigen Rechts- und Regelverstößen bei Vergaben vorzubeugen. Die Fachaufsicht sei verstärkt worden. Es gelte nun das Vier-Augen-Prinzip. Abgestellt worden sei, dass in die betriebliche Organisation des Ministeriums Personen integriert worden waren, „die dort nichts zu suchen hatten“, verwies er auf den Einsatz manch externer Berater. Er habe die Weisung erteilt, deren „dienstpostenähnliche Konstruktion aufzulösen“.
Gemäß Untersuchungsauftrag ging es auch wieder darum, ob „Kennverhältnisse“ Einfluss auf die Vergaben von Leistungen gehabt haben könnten. Unter anderem sind die ehemalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder und Timo Noetzel, ein Manager des IT-Unternehmens Accenture, miteinander befreundet. Accenture erhielt eine vom Rechnungshof beanstandete Vergabe. Auch das Ministerium stufte das Vorgehen dann als rechtswidrig ein. Der damalige Abteilungsleiter Planung im Ministerium, General Erhard Bühler, war Taufpate bei Noetzels Kindern.
Er habe Noetzel nie kennengelernt, aber von seiner Bekanntschaft mit Suder gewusst, versicherte Hoofe. Er beschied: Bei Auftragsvergaben sei „ein Kennverhältnis insoweit unerheblich, wenn es nicht dazu führt, dass sachfremde Erwägungen, die auf dem Kennverhältnis beruhen, Einfluss genommen haben“.
In Hoofes Auftrag hatte Conradi die Verwaltungsermittlung geleitet. Dabei wurde auch Suder befragt. Sie habe „mit klaren Worten“ versichert, dass Kennverhältnisse „keine Bedeutung“ bei der Vergabe von Leistungen an Externe gehabt hätten.