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29.01.2020 Kultur und Medien — Ausschuss — hib 131/2020

Preußens Kronprinz Wilhelm im Fokus

Berlin: (hib/AW) Hat der preußische Kronprinz Wilhelm von Preußen in den 1930er Jahren dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet? Diese Frage stand am Mittwoch im Zentrum einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses. Hintergrund der Anhörung sind Forderungen des Hauses Hohenzollern auf Entschädigung beziehungsweise Rückgabe von Immobilien und Kulturgütern, die während der sowjetischen Besatzungszeit in Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1945 und 1949 enteignet wurden. Seit 2014 verhandeln der Bund und das Land Brandenburg mit der Erbengemeinschaft der Hohenzollern über eine gütliche Einigung. Grundlage für eine solche Entschädigung bildet das Ausgleichleistungsgesetz von 1994, das Entschädigungen aber nur dann vorsieht, wenn der Enteignete der nationalsozialistischen Herrschaft nicht „erheblichen Vorschub geleistet“ hat. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wollen eine Entschädigung des Hauses der Hohenzollern aber in jedem Fall verhindern und haben entsprechende Anträge (19/14729, 19/13545) eingebracht.

Das Urteil der Historiker Peter Brandt, Stephan Malinowski und Stefanie Middendorf fiel übereinstimmend deutlich aus: Kronprinz Wilhelm von Preußen hat vor und nach 1933 dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet. Der Historiker Benjamin Hasselhorn wollte die Frage allerdings nicht so eindeutig beantworten. Beide Ansichten ließen sich zwar historisch begründen, aber nicht eindeutig belegen, ein abschließendes Urteil sei deshalb kaum zu fällen.

Brandt, er lehrte bis 2014 Neuere und Neueste Geschichte an der Fernuniversität Hagen, argumentierte, dass Wilhelm von Preußen im entscheidenden Jahr 1932 zwar keine zentrale politische Figur gewesen sei, aber dennoch aufgrund seiner Stellung als Kronprinz großen Anteil daran hatte, Vorbehalte im deutschen Adel gegen die Nationalsozialisten abzubauen. Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Jahr 1933 habe Wilhelm deutlich geäußert, dass sich nun erfüllt habe, wofür er ein Jahr gekämpft habe. Der Kronprinz habe auf eine Wiederherstellung der Monarchie innerhalb einer faschistischen Diktatur nach dem Vorbild Italiens gehofft.

In diesem Sinne argumentierte auch der Historiker Malinowski von der Universität Edinburgh. Er verwies auf den Wahlaufruf Wilhelm von Preußens 1932 zugunsten der Nationalsozialisten und seine Rolle beim „Tag von Potsdam“ 1933. Als preußischer Kronprinz habe er über eine große Symbolkraft verfügt. Bei der Frage, ob er dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet habe, sei zudem zu bedenken, dass er eine andere Verantwortung getragen habe als ein Bergmann oder ein gewöhnlicher Wähler. Im Fall eines Verkehrsunfalles trage der Pilot eines Passagierflugzeuges auch eine höhere Verantwortung als ein Fußgänger.

Stefanie Middendorf vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam wies ebenso wie Malinowski die Ansicht zurück, dass die Rolle Wilhelms von Preußen unter Historikern umstritten sei beim Aufstieg der Nationalsozialisten. Die überwiegende Lehrmeinung sei, dass der Kronprinz beständig mit den anti-demokratischen Kräften kooperiert habe, sowohl mit den Nationalsozialisten als auch mit den deutschnationalen Kräften. Middendorf führte an, dass zu dieser Ansicht selbst der Historiker Wolfram Pyta in früheren Arbeiten gekommen sei, auch wenn er in seinem Gutachten für das Haus der Hohenzollern der These widersprochen habe, der Kronprinz habe den Nazis erheblichen Vorschub geleistet. Middendorf wies zugleich darauf hin, dass die Frage nach dem erheblichen Vorschub eine juristische Kategorie und keine historische darstelle.

Der Historiker Benjamin Hasselhorn von der Universität Würzburg hingegen argumentierte, dass die historischen Quellen nicht ausreichend erschlossen und erforscht seien, um die Frage nach der Rolle Wilhelms von Preußen abschließend zu beurteilen. Bis heute gebe es nicht einmal eine wissenschaftliche Biografie über den Kronprinzen. Hasselhorn wies zudem darauf hin, dass der Kronprinz im deutschen Volk nicht sonderlich beliebt gewesen sei. Es sei schwer zu messen, wie stark sich seine Rolle als Symbolfigur ausgewirkt habe. Die Bedeutung Wilhelms für den Aufstieg des Nationalsozialismus ließe sich historisch so oder so beantworten, für beide Positionen gebe es gute Argumente.

Die geladenen Rechtsanwälte und Experten für Restitutionsrecht, Marc Laudien und Hartmut Scheidmann, wiesen übereinstimmend darauf hin, dass es juristisch zunächst nicht zu beanstanden sei, dass das Haus Hohenzollern Ansprüche auf Entschädigungen geltend gemacht haben. Das 1994 vom Bundestag beschlossene Ausgleichsleistungsgesetz gelte für jeden betroffenen Bürger. Laudien argumentierte, dass der Bundestag letztlich nicht darüber entscheiden könne, ob Wilhelm von Preußen dem Nationalsozialismus im juristischen Sinne erheblichen Vorschub geleistet habe. Scheidmann sagte, die Formulierung „erheblich Vorschub geleistet“ sei ein unbestimmter juristischer Begriff. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht dafür Leitlinien aufgestellt. Nach diesen würde ein Gericht im Fall eines Prozesses um die Ansprüche des Hauses Hohenzollern dann auch entscheiden.

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