Situation von Mittelmeerflüchtlingen
Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung zeigt sich beunruhigt über die seit Jahresanfang wieder deutlich gestiegene Zahl von Flüchtlingen auf der zentralen Mittelmeerroute. Zwar sei insgesamt die Zahl der registrierten illegalen Grenzübertritte auf den Hauptmigrationsrouten laut Frontex im Januar im Vergleich zum Vormonat gesunken. Doch von Libyen aus habe sich die Anzahl der europäischen Grenzschutzagentur zufolge verdoppelt. Auch die Zahl der Toten und Vermissten habe zuletzt „nach oben korrigiert“ werden müssen, sagte ein Vertreter der Bundesregierung am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Damit bleibe die Mittelmeerroute laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die „gefährlichste Flüchtlingsroute“.
Besorgt äußerte sich der Vertreter des Auswärtigen Amtes auch über die Situation der in libyschen Haftzentren internierten Flüchtlinge. Deren Lage „sei extrem schlecht.“ Die EU und insbesondere der deutsche Außenminister hätten die libysche Regierung wiederholt zur Schließung der Lager und zur Freilassung der Inhaftierten aufgefordert. Seit vergangenem Sommer seien so auch tatsächlich drei Lager geschlossen worden. In den noch bestehenden „Detention Centers“ befänden sich jedoch noch immer mehr als 2.000 Personen
Äußerst angespannt sei auch die Lage der Flüchtlinge auf der Route über das östliche Mittelmeer: Über die Ägäis würden insgesamt die meisten illegalen Grenzübertritte registriert. Rund 60.000 seien 2019 über den Seeweg nach Griechenland gekommen. Zuletzt sei die Zahl der Flüchtlinge gestiegen. Besonders besorgniserregend nannte der Regierungsvertreter auch die hohe Zahl der Todesfälle. 2019 seien auf der ostmediterranen Route über 70 Menschen zu Tode gekommen, 2020 aber „schon 63“. Eine Entspannung sei darüber hinaus nicht zu erwarten, angesichts der der „katastrophalen humanitären Situation“ im syrischen Idlib.
Als „völlig unzureichend“ bezeichnete der Vertreter des Auswärtigen Amtes zudem die Unterbringung der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. Fast 42.000 Menschen lebten dort in Flüchtlingslagern, obwohl diese nur für etwa 6.700 Menschen ausgelegt seien. An dieser Überlastung habe auch die Verlegung von etwa 2.000 Menschen aufs Festland wenig geändert. In und um das Lager Moria auf Lesbos sollen derzeit noch mehr als 19.000 Flüchtlinge untergebracht sein, darunter viele unbegleitete Minderjährige. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes bezifferte allein die Zahl derer, die auf den griechischen Inseln untergebracht seien, auf etwa 2.500. Dass das Dublin-Verfahren „nicht funktioniert“, lasse sich besonders an dieser Situation in Griechenland ablesen, sagte der Regierungsvertreter. Die EU-Kommission sei dabei, mit der griechischen Regierung einem Vorschlag zu erarbeiten, um die humanitäre Situation vor Ort zu verbessern.
Abgeordnete von Union, SPD und FDP fragten in der anschließenden Diskussion nach Ergebnissen der Dublin-Verhandlungen und mahnten eine schnelle „Zwischenlösung“ an. „Die Erkenntnis, dass Dublin nicht funktioniert, ist doch schon lange da“, sagte eine SPD-Abgeordnete. Eine Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen drang zudem darauf, unbegleitete Minderjährige aus den überfüllten griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. „Die Mühlen mahlen zu langsam. Kinder könnten sterben.“ Die Linke forderte, die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache zu beenden, da diese Flüchtlinge wieder zurück in Internierungslager bringe. Die „Abhängigkeit von der Türkei“ kritisierte wiederum die AfD: Die Erwartungen an den EU-Türkei-Flüchtlingspakt hätten sich „nicht erfüllt“, monierte ein Vertreter der Fraktion. Präsident Erdogan habe stattdessen mit der Militäroffensive in Nordsyrien neue Fluchtursachen geschaffen. Weitere Fragen der Fraktionen zielten unter anderem auf eine Verlängerung der Malta-Vereinbarung zur Verteilung der aus Seenot geretteten Migranten sowie eine Wiederaufnahme der EU-Marinemission „Sophia“ mit verändertem Mandat.