Zeuge berichtet über Attentats-Schauplatz
Berlin: (hib/WID) Ein pensionierter Hauptkommissar der Berliner Polizei hat dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) seine Eindrücke auf dem Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unmittelbar nach dem Terroranschlag des Tunesiers Anis Amri geschildert. Er selber habe sich etwa 60 Meter entfernt auf der anderen Seite des Breitscheidplatzes befunden, als Amri mit einem Sattelschlepper in eine Budengasse des Weihnachtsmarktes raste, sei aber nur Minuten später am Ort des Geschehens gewesen, sagte der Zeuge Rainer Grape am Donnerstag. Der heute 62-jährige Ruhestandsbeamte war im Dezember 2016 im Abschnitt 25 der Berliner Polizeidirektion 2 tätig und als Streifenführer auf dem Weihnachtsmarkt im Einsatz.
„Gegen 20 Uhr vernahm ich einen lauten Knall, ein Geräusch, als wenn ein Feuerwerk abgebrannt wird. Ich habe gedacht, da stürzt ein Haus ein“, schilderte der Zeuge den Augenblick des Anschlags. Vom polizeilichen „Infomobil“, wo seinen Wachdienst am Weihnachtsmarkt versah, habe er sich so schnell wie möglich in die Richtung begeben, aus der der Knall zu hören gewesen sei. Die Beifahrertür des Sattelschleppers sei verschlossen gewesen, die Fahrertür habe offengestanden. Ein Zeuge habe berichtet, der Fahrer sei aus dem Führerhaus gestiegen und in Richtung des Bahnhofs Zoo fortgerannt. Der Zeuge habe eine Personenbeschreibung des Mannes gegeben, die er weitergemeldet habe, sagte Grape.
Nachdem er eine Zeugensammelstelle angewiesen und für die Absperrung der Straße gesorgt habe, habe er einen Blick ins Führerhaus geworfen, berichtete Grape weiter. Im Inneren sei alles mit Trümmern übersät gewesen: „Die Windschutzscheibe war kaputt, da war ein halber Weihnachtsbaum drin.“ Zu seiner Überraschung habe er festgestellt, dass über Fahrer- und Beifahrersitz ausgestreckt und in eine helle Decke gehüllt eine Mensch lag. Sein Eindruck sei gewesen, der Mann sei durch die Wucht des Aufpralls aus der Schlafkoje ins Führerhaus geschleudert worden.
Er habe an der Person gerüttelt, aber kein Lebenszeichen mehr festgestellt. Der Mann sei groß und schwer und im Führerhaus förmlich eingekeilt gewesen. Allein habe er ihn nicht bergen können. Dies sei erst mit Hilfe der Feuerwehr gelungen. Er habe die Leiche durchsucht, aber keine Ausweispapiere gefunden, sagte Grape. Wie sich herausstellte, handelte es sich um den polnischen Fahrer des Sattelschleppers, den Amri erschoss, als er den Wagen kaperte.
Sein Dienst am Breitscheidplatz habe regulär um 13 Uhr begonnen und hätte um 21 Uhr enden sollen, sagte der Zeuge. Am Nachmittag habe ihn ein Kirchenrat der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in seinem Infomobil aufgesucht und von einer Drohung berichtet, dass auf die Weihnachtsandacht am 24. Dezember ein Attentat verübt werden sollte. Da er zunächst nicht habe ausschließen können, dass Amris Anschlag mit dieser Drohung in Zusammenhang stand, habe er die Mitteilung des Kirchenrats in seinen Bericht aufgenommen.
Wie der Ausschuss von einem anderen Zeugen erfuhr, wurden am Abend des Attentats in der Menge der Schaulustigen mindestens drei polizeibekannte Islamisten festgestellt. Er habe dies von Kollegen, die am Tatort eingesetzt waren, über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe erfahren, sage Polizeioberkommissar R. D. in seiner Vernehmung. Der heute 46-jährige Zeuge war als Beamter der Abteilung 6 des Landeskriminalamts am Morgen nach dem Attentat an einer Beobachtungsmission vor der Moabiter Fussilet-Moschee beteiligt.