+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

07.05.2020 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 483/2020

BKA konnte Person Amris nicht beurteilen

Berlin: (hib/WID) Das Bundeskriminalamt (BKA) war im Frühjahr 2016 noch nicht in der Lage, Bedrohungen zu beurteilen, die von der persönlichen Verfassung gewaltbereiter Verdächtiger ausgingen. Diese Fähigkeit sei erst Mitte 2017, also nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, entwickelt worden, sagte ein damals im zuständigen Referat ST33 tätiger Beamter, der heutige Kriminaldirektor Martin K., am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Das Referat ST33 befasste sich mit „Gefährdungssachbearbeitung“ und „Phänomenauswertung“.

Dabei sei es aber lediglich um Sachverhalte, nicht um die Personen der möglichen Täter gegangen, betonte der Zeuge. Nach diesem Maßstab beurteilte das Referat im Februar 2016 ein Anschlagsszenario, das ein Informant des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts aus dem Mund des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri gehört haben wollte, zunächst als „eher auszuschließen“, später immerhin als „eher unwahrscheinlich“. Demnach hätte Amri einen Raubüberfall begehen und mit dem erbeuteten Geld entweder in Paris oder in Neapel Schnellfeuergewehre der Marke AK47 erwerben, um diese wiederum in Deutschland für Anschläge zu nutzen.

Auf einen nach der Dringlichkeit von oben nach unten ansteigenden Skala bewertete ein Sachbearbeiter des Referats ST33 dieses Szenario am 4. Februar mit sieben von acht möglichen Punkten. In den folgenden Tagen liefen weiterführende Erkenntnisse aus abgehörten Telefonaten Amris ein, darunter drei Audiodateien, die offensichtlich Gespräche mit Partnern aus Kriegsgebieten wiedergaben. Im Hintergrund sei Maschinengewehrfeuer zu hören gewesen. Daraufhin sei am 18. Februar das geschilderte Szenario auf den Wert von fünf Punkten hochgestuft worden. Dies sei schon „bemerkenswert hoch gegriffen“ gewesen, betonte der Zeuge: „Nicht viele Sachverhalte wurden auf fünf oder höher gesetzt.“

Dennoch blieb ein Dissens mit dem Düsseldorfer LKA, das die Glaubwürdigkeit seines unter dem Kürzel „VP01“ geführten Informanten in Zweifel gezogen sah. Die Zuständigen im BKA wiederum waren irritiert, weil derselbe Gewährsmann zeitgleich noch ein anderes Anschlagsszenario in Erfahrung gebracht haben wollte. Dass Möchtegern-Attentäter einem Unbeteiligten unabhängig voneinander gleich zweimal ihre Pläne ausplauderten, galt als unwahrscheinlich. Einen „Aha-Effekt“ brachte nach den Worten des Zeugen eine Aussprache am 23. Februar 2016 beim Generalbundesanwalt. Hier teilten die Vertreter aus NRW mit, sie hätten ihren Informanten mit der „Legende“ in die Szene geschickt, er sei „anschlagsgeneigt“ und auf der Suche nach Mittätern. „Wir waren sehr überrascht“, sagte der Zeuge. Doch seien die Darstellungen der VP01 jetzt plausibel erschienen.

Nach der Besprechung beim Generalbundesanwalt verbreitete das nordrhein-westfälische LKA die Einschätzung, dass Amri seine Attentatspläne intensiviere und mit Sicherheit entschlossen sei, sie auszuführen. Im BKA galt das als völlig übertrieben und hatte einen internen Mailwechsel zur Folge, aus dem äußerste Gereiztheit gegen die Düsseldorfer Kollegen sprach. Dennoch habe zu keinem Zeit die Absicht bestanden, die VP01 „totzuschreiben“, wie ein Hauptkommissar aus Düsseldorf nach der Besprechung beim Generalbundesanwalt vertraulich erfahren haben wollte. Er sei „fast vom Hocker gefallen“, als davon hörte, sagte Zeuge K.: „Ich halte das für eine phantastische Geschichte.“

Marginalspalte