Kontrolle ausländischer Investitionen
Berlin: (hib/PST) Eine geplante Gesetzesänderung mit dem Ziel, den Abfluss sensibler Technologien in Nicht-EU-Länder besser kontrollieren zu können, ist am Mittwoch Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss gewesen. Die Abgeordneten befragten neun Sachverständige zu gleichlautenden Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen (19/18700) und der Bundesregierung (19/18895) „zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze“. Darin wird vor allem das deutsche Recht an eine EU-weite Neuregelung angeglichen. Daneben ging es um einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/18703) mit ähnlicher Zielsetzung sowie einen Antrag der FDP-Fraktion (19/18673), in dem sie die bestehenden Kontrollmöglichkeiten für ausländische Direktinvestitionen für ausreichend erklärt.
Christoph Herrmann, Professor für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Passau, begrüßte vor allem eine erhöhte Rechtssicherheit durch den 2019 geschaffenen europäischen Rahmen, der „maßgeblich von Deutschland mit initiiert“ worden sei. Dieser werde mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in angemessener Weise in nationales Recht umgesetzt.
Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bemängelte dagegen, dass mit der Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes „der gegebene Handlungsspielraum der Regierung zu Eingriffen in Privateigentum und Vertragsfreiheit erheblich ausgeweitet“ werden solle. Sein Verband habe keine Einwände dagegen, dass künftig auch Sicherheitsinteressen der anderen EU-Mitgliedsstaaten in die Prüfung einbezogen werden sollen, wenn sich ein Nicht-EU-Unternehmen ein deutsches Unternehmen einkaufen will. Jedoch gehe der Ermessensspielraum für die Prüfung und Untersagung von Beteiligungen „weit über das notwendige Maß hinaus“, etwa wenn er der Staat nicht nur wie bisher bei einer tatsächlichen, sondern schon bei einer „voraussichtlichen“ Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit eingreifen könne.
In den Fragen der Abgeordneten zeigte sich wiederholt die Sorge vor staatlicher chinesischer Einflussnahme durch Direktinvestitionen in deutsche Unternehmen. Mair sieht hier zwar Handlungsbedarf, aber nicht im Außenwirtschaftsgesetz, sondern in anderen Gesetzen, etwa dem Beihilferecht. Mikko Huotari vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) verwies darauf, dass man angesichts von Liquiditätsdruck in China derzeit „nicht mit einem chinesischen Kaufrausch in Europa rechnen“ müsse. Dennoch seien kritische Einzelfälle möglich. Die deutschen Maßnahmen seien aber, auch in der geplanten neuen Gesetzesfassung, „im OECD-Vergleich weiter verhältnismäßig und liberal“.
Daniela Schwarzer von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) betonte, bei chinesischen Investitionen im Ausland spiele oft das Motiv mit, die Möglichkeiten für politische Einflussnahme zu erweitern. Es gebe bereits Beispiele, wo dieser Einfluss sehr gezielt ausgespielt worden sei. In der derzeitigen Krise herrsche eine besondere Verwundbarkeit europäischer Unternehmen, aber auch eine besondere Aggressivität von Staaten, sich einzukaufen. Schwarzer begrüßte daher eine stärkere nationale und europäische Kontrolle in der Krise. Sie plädierte allerdings dafür, manche Regelungen zu befristen und später gegebenenfalls wieder zurückzunehmen.
Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. befürchtet, dass mit dem geplanten Gesetz „die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Startups im internationalen Bereich gefährdet, der Gründungsstandort geschwächt und die Innovationskraft Deutschlands insgesamt Schaden nehmen“ würde. David Hanf, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Verbands, verwies auf das Wesen von Startup-Finanzierungen, die nicht mit strategischen Hintergedanken erfolgen würden. Deshalb sollten Startups von den im Außenwirtschaftsgesetz vorgesehenen Prüfverfahren ausgenommen werden. Solche Hindernisse würden Investoren abschrecken.
Als befremdlich vor dem Hintergrund der Corona-Krise bezeichnete Daniel Mitrenga vom Verband Die Familienunternehmer e.V. die Diskussion über ein schärferes Außenwirtschaftsrecht. Die ausländischen Direktinvestitionen seien schon seit einiger Zeit gesunken, und dieses Geld fehle den Unternehmen in der Krisensituation. Besonders kritisierte er die geplante Einbeziehung der pharmazeutischen und medizintechnischen Unternehmen in die „kritischen Branchen“ mit besonders strenger Meldepflicht. Mitrenga verwies darauf, dass es fast zwei Milliarden Euro koste, ein Medikament zur Marktreife zu bringen. Kleinere Unternehmen seien hier auf Investoren angewiesen. Mit der Neuregelung würde der Standort Deutschland geschwächt.
Auch Ralf Rukwid von der IG Metall verwies darauf, dass sich durch die Krise massive Liquiditätsabflüsse und Eigenkapitalschwächen abzeichneten, kam aber zu einer anderen Schlussfolgerung. Diese Lage erhöhe das Risiko von Übernahmen. „Mehr Kontrolle war schon vorher sinnvoll, jetzt erst recht“, erklärte Rukwid. Die Gewerkschaften begrüßten daher den größeren Ermessensspielraum, den die Novelle den staatlichen Prüfern geben will. Im übrigen forderte Rukwid, das Augenmerk mehr auf Finanzinvestoren zu richten, die auf kurzfristige Gewinnentnahmen aus sind, und nicht nur auf chinesische Unternehmen, die eher langfristig investierten.
Unternehmer im sensiblen Bereich der IT-Sicherheit ist Björn Rupp, Geschäftsführer der Gesellschaft für Sichere Mobile Kommunikation mbH (GSMK). Er verwies darauf, dass seine Branche eher von Netzeffekten lebe und daher internationale Zusammenschlüsse von Unternehmen zum täglichen Geschäft gehörten. Es gebe zwar einen kleinen Bereich ausländischer Akteure, auch mit Nachrichtendienst-Hintergrund, die man im Auge haben müsse. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf aber wäre jedes Unternehmen, das Kryptotechnik nutzt, schon ein Prüffall. Dies laufe der Intention des Gesetzes entgegen und müsse enger gefasst werden.
Auf einen besonderen Aspekt ging Eike Hamer von Valtier vom Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V. ein: Auf deutsche Unternehmen, die von erheblichen Subventionen profitiert haben und in die dann ein ausländischer Investor einsteigt, der so von den Subventionen profitiert. Hamer von Valtier fordert für solche Fälle eine steuerrechtliche Regelung, über die sich der Staat den Teil der Subventionen, der auf die ausländische Beteiligung entfällt, zurückholt. Er verwies dazu auf die analoge Regelung der Wegzugsbesteuerung, die bei einer Unternehmensverlagerung ins Ausland greift.