Nachhaltiger Weg aus der Corona-Krise
Berlin: (hib/HAU) Um einen nachhaltigen Weg aus der aktuellen Krise zu finden, braucht es internationale Partnerschaften statt Isolationismus. Diese Ansicht vertraten die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend geladenen Experten. Nachhaltigkeit ohne einen internationalen Blick sei nicht fruchtbar, sagte Professor Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Es sei nicht ausreichend, sich etwa bei den Treibhausgas-Emissionen auf nationale Indikatoren zu konzentrieren, befand er.
Christian Kroll, Scientific Co-Director, Sustainable Development Goals Index & Dashboards und Senior Expert of Sustainable Development bei der Bertelsmann Stiftung, vertrat die Auffassung, dass auch Deutschland - bei aller Notwendigkeit für die Beschäftigung mit der Krise daheim - den Blick auf die Weltlage insgesamt erweitern müsse, „die uns früher oder später einholen wird“. Nur so könne durch gemeinsame Anstrengungen mit anderen Staaten künftigen Krisen besser vorgebeugt werden.
Die Corona-Krise werde die Ungleichheit zwischen den Staaten weiter vergrößern, sagte Kroll. 40 Prozent der Weltbevölkerung hätten keinen ausreichenden Zugang zur Gesundheitsversorgung. Betroffen seien nicht nur Entwicklungs- oder Schwellenländer. Auch in den USA und in Russland sei mit schwereren multiplen Krisen zu rechnen. Verstärken werde sich aber auch die Ungleichheit innerhalb der einzelnen Staaten. In den USA etwa seien von Corona „Schwarze und Hispanics deutlich häufiger betroffen als Weiße“. Covid-19 sei wie ein Brennglas für die Probleme in der Welt, sagte Kroll. Das gelte auch für die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs).
Die Krise unterstreiche aber auch die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit, betonte er und forderte, am 0,7-Prozent-Ziel (0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit) festzuhalten. So könne beispielsweise eine drohende Hungerkrise in Afrika milder und besser zu bewältigen sein, „wenn wir dort schnell in die Gesundheitssysteme investieren“.
Corona, so Kroll weiter, stelle eine „Stunde Null“ dar. Mit Förderprogrammen und Anreizen könne eine nachhaltige Transformation umgesetzt werden. Beispielhaft zu nennen sei Kanada, wo die Regierung angekündigt habe, staatliche Unterstützung für Unternehmen an eine aktive Verpflichtung zu den Nachhaltigkeitszielen zu verknüpfen.
Die Krise hat aus Sicht von Christoph M. Schmidt dafür gesorgt, „dass globale Herausforderungen nicht mehr so eine große Abstraktheit besitzen“. Es sei deutlich geworden, dass die Zukunft nicht darin bestehen könne, allein auf die nationale Prosperität zu schauen, sagte er. Deutschland, so seine Forderung, sollte seine eigene Prosperität erarbeiten - etwa bei der Gesundheitsversorgung seiner alternden Bevölkerung - gleichzeitig aber zur Prosperität der Weltgemeinschaft beitragen. „Wir können uns nicht isolieren“, betonte er. Nachhaltigkeitsdiskussionen könnten nicht mehr so leicht aus dem Bewusstsein verdrängt werden, was eine Chance sei, sagte Schmidt.
Aus seiner Sicht hat Deutschland eine hervorragende Basis dafür, die Herausforderung anzugehen, eine neue Balance zwischen Effizienz, Leistungsfähigkeit und Resilienz zu schaffen. Damit aber insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland den Balanceakt zwischen wirtschaftlicher Öffnung und Gesundheitsschutz schaffen, brauche es so viel wirtschaftliche Öffnung wie verantwortbar ist, statt das Vorsichtsprinzip über alles zu setzen. Schmidt sagte außerdem, um Unternehmen zum nachhaltigen Wirtschaften zu bewegen, sei es jetzt mehr denn je von Bedeutung, die CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene sektorenübergreifend anzustreben.