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15.05.2020 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 507/2020

Amri gab sich als „Emir“ aus

Berlin: (hib/WID) Der spätere Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri hat sich im Herbst 2016 seinem Neffen in Tunesien gegenüber als „Emir“, also Anführer einer deutschen Zelle des sogenannten Islamischen Staates (IS) ausgegeben. Zum Wahrheitsgehalt dieser Behauptung lasse sich allerdings nichts Sicheres feststellen, sagte eine Beamtin aus dem Bundeskriminalamt (BKA) am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Die heute 40-jährige Kriminalhauptkommissarin N.S. ist seit 2002 im BKA tätig und dort seit 2005 mit der Abwehr des radikalislamischen Terrorismus befasst. Nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz war sie an der Aufklärung der Kontakte des Attentäters Amri zu Gewährsleuten beim IS beteiligt.

„Ich habe eine Gruppe von Brüdern, die mir in Deutschland angehören“, teilte Amri seinem Neffen mit, wie die Zeugin berichtete. Er habe damals versucht, den jungen Mann für den Dschihad zu rekrutieren und zur Ausreise aus Tunesien zu bewegen, nach Syrien, um sich dem IS anzuschließen, oder nach Deutschland, wo er sich seiner Führung unterstellen sollte. Nicht auszuschließen sei, dass mit der „Gruppe von Brüdern“ der Dagestaner Magomet Ali Chamagow und der französische Konvertit Clément Baur gemeint seien, mit denen gemeinsam Amri im Herbst 2016 Überlegungen anstellte, einen Sprengstoffanschlag auf das Berliner Gesundbrunnen-Center zu verüben.

Seinerseits stand Amri spätestens seit Herbst 2016 in engem Kontakt mit einem tunesischen Landsmann, der ihn vermutlich von Libyen aus in der Zeit vor der Tat, wie die Zeugin formulierte, „emotional und ideologisch“ begleitet habe. Den Ermittlern wurde er nach dem Anschlag als „Mouadh Tounsi“ alias „Momo1“ bekannt. Der IS habe über Mentoren verfügt, deren Funktion darin bestanden habe, Anhänger im Ausland zu Attentaten zu motivieren, sie „bei der Stange zu halten“ und nach verübter Tat die Führungsebene zu informieren, damit sich der IS zeitnah die Urheberschaft zuschreiben könne. „Momo1“, gegen den ein Haftbefehl der Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe besteht, sei einer dieser Mentoren gewesen, meinte die Zeugin.

Amri tauschte mit „Momo1“ bis unmittelbar vor der Tat am Abend des 19. Dezember 2016 Nachrichten aus. Zuvor hatte er allerdings den gesamten bisherigen Chatverlauf auf seinem Mobiltelefon gelöscht. Deshalb sei zwar mit Sicherheit davon auszugehen, dass „Momo1“ über Planung und Vorbereitung des Attentats genau im Bilde war. Nachvollziehen lasse sich der Informations- und Gedankenaustausch allerdings nicht mehr. Ebenso wenig sei bekannt, wie und wann der Kontakt mit „Momo1“ zustande kam. Sicher sei, dass er spätestens am 10. November 2016 bestand. Damals schickte „Momo1“ ein 143 Seiten starkes PDF-Dokument des IS an Amri mit dem Titel: „Die frohe Botschaft zur Rechtleitung für diejenigen, die Märtyrer-Operationen durchführen“.

Unmittelbar bevor er am Tatabend den Lastwagen kaperte, mit dem er in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz fuhr, nahm Amri um 19.15 Uhr die Verbindung zu „Momo1“ wieder auf: „Bleib in Kontakt mit mir.“ Später meldete er: „Ich sitze jetzt in der Karre.“ Dann schickte er ein Foto des Armaturenbretts. Zuletzt gegen 20 Uhr, als er den Weihnachtsmarkt erreichte, bat er „Momo1“, für ihn zu beten. Dieser meldete sich wenige Stunden, nachdem Amri in Norditalien erschossen worden war, am Morgen des 23. Dezember ein letztes Mal auf dessen Mobiltelefon: „Hallo, wie geht's?“, fragte er auf Französisch.

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