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25.05.2020 Arbeit und Soziales — Anhörung — hib 531/2020

Experten uneins über Grundrente

Berlin: (hib/FLA) Die politische Auseinandersetzung um die Grundrente hat sich auch bei einer Experten-Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales unter der Leitung von Gabriele Hiller-Ohm (SPD) widergespiegelt. Im Mittelpunkt stand der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung der Grundrente für langjährige Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (19/18473).

Der Deutsche Gewerkschaftsbund, vertreten durch Markus Hofmann, setzte sich für eine deutliche Korrektur an zwei Stellen ein: Die Erfüllung der 33 Jahre Wartezeit sei zu erleichtern und gerechter zu gestalten. Es sei unverständlich, dass im Fall einer Erwerbsminderung vor dem 48. Lebensjahr die Wartezeit objektiv rechtlich auch bei ununterbrochener Erwerbsbiographie nicht erfüllt werden könne. Zum Zweiten sollte auf die Einkommensanrechnung vollständig verzichtet werden. So mache sie das Gesetz unnötig kompliziert.

Für die Deutsche Rentenversicherung Bund machte Stephan Fasshauer geltend, dass die äußerst umfangreichen IT-Systemanpassungen im hochkomplexen Rentensystem auf Basis des aktuellen Entwurfs eine Auszahlung des Zuschlags frühestens ab Juli 2021 möglich machten. Die vorgesehene Einkommensprüfung sei trotz des geplanten Datenaustauschverfahrens mit der Finanzverwaltung mit einem hohen Bürokratieaufwand verbunden. 1.700 Stellen seien dafür nötig.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, vertreten durch Alexander Gunkel, forderte den Gesetzgeber auf, die Reißleine zu ziehen und dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Die geplante Grundrente schaffe gravierende neue Ungerechtigkeiten im Rentensystem, wirke nicht zielgenau gegen Altersarmut, sei hochbürokratisch und nicht verlässlich finanziert.

Der Sozialverband Deutschland würdigte, dass mit dem Gesetzesvorhaben langjährige Forderungen von ihm umgesetzt werden sollen. Der Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung sei richtig und stehe im Einklang mit dem Charakter der Rente als Versicherungsleistung. Legitimität und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung würden gestärkt. Für den Verband sprach Henriette Wunderlich.

Professor Eckart Bomsdorf (Universität Köln) befand, im Grunde handele es sich bei der Grundrente um einen Rentenzuschuss oder einen Rentenzuschlag - genauer: Entgeltpunktezuschlag. Dieser solle auf eine sehr komplexe, für die einzelnen Personen kaum nachvollziehbare Weise berechnet werden und werde für viele - auch für bisherige Grundsicherungsbezieher - eine Enttäuschung sein.

Professor Martin Werding (Universität Bochum) lenkte unter anderem den Blick darauf, dass die Perspektiven für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Rentenfinanzen auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung eingetrübt würden. Sowohl Handlungsbedarf als auch Handlungsmöglichkeiten für die Einführung der geplanten Grundrente könnten sich dadurch verändern, auch wenn sie nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden sollen.

Professor Ute Klammer (Universität Duisburg/Essen) hielt es für wichtig, dass die Grundrente nun wie im Koalitionsvertrag vereinbart und trotz Corona kommt. Das Ziel bestehe ja laut Koalitionsbeschluss darin, die Lebensleistung anzuerkennen, weil dies durch die Rentenkürzung beziehungsweise Rentenberechnung nicht mehr gewährleistet sei. Nun damit zu argumentieren, dass die Corona-Ausgaben die geplante Steuerfinanzierung nicht zulassen würde, wäre nach ihrer Einschätzung ein verheerendes Signal.

Nach Ansicht von Professor Georg Cremer wirft die Grundrente neue Gerechtigkeitsfragen auf. Wer in einer Halbtagstätigkeit 35 Jahre Grundrentenzeiten aufbringe, erhalte die volle Grundrente. Wer in einer Vollzeittätigkeit weniger als 33 Jahre erreiche, gehe völlig leer aus, auch wenn er weit höhere Beiträge geleistet habe.

Johannes Geyer (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung - DIW, Berlin) machte klar, dass mit der Einkommensprüfung tatsächlich ein neues Element in die Versicherungsleistung eingeführt werde. Es sei unklar, ob dadurch die Zielgenauigkeit der Maßnahme im Sinne des Gesetzentwurfs erhöht wird. Denn die Höhe der Grundrente orientiere sich nicht mehr nur an der sogenannten Lebensleistung, sondern auch am sonstigen Einkommen des Haushalts.

Professor Frank Nullmeier (Universität Bremen) meinte, grundsätzlich sei sehr zu begrüßen, dass die mit dem Gesetzentwurf angestrebten Ziele im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung gelöst werden sollen. Es werde gerade nicht die Möglichkeit gewählt, Veränderungen allein im System der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorzunehmen oder ein zusätzliches System zur Altersarmutsbekämpfung zu schaffen.

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