+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

19.06.2020 Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung — Anhörung — hib 643/2020

Welt ohne Bargeld

Berlin: (hib/ROL) Um eine Welt ohne Bargeld und die Veränderungen der klassischen Banken- und Bezahlsysteme ging es am Donnerstag beim Öffentlichen Fachgespräch, zu dem der Ausschuss für Bildung und Forschung unter Leitung von Ernst Dieter Rossmann (SPD) und insbesondere das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) eingeladen hatte. Das Beratungsunternehmen VDI/VDE-IT als Konsortialpartner des TAB führt zurzeit eine Kurzstudie zu den aktuellen Trends und Entwicklungen beim Zahlungsverkehr durch.

Marc Bovenschulte, Bereichsleiter Demografie, Cluster und Zukunftsforschung in der VDI/VDE-IT und Moderator der Veranstaltung machte gleich am Anfang die Dringlichkeit des Themas deutlich. Es gebe sowohl Fans der Bargelds, wie auch der digitalen Zahlweise. „In jedem Fall ist es ein Thema das alle angeht. Es spielt für das Individuum eine Rolle, aber auch im globalen System.“

Simone Ehrenberg-Silies, Leiterin der Studie (VDI/VDE-IT) betonte, dass sich der Trend zum bargeldlosen Zahlen in Deutschland verstärke. In einer Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten in Deutschland aus dem Jahr 2017 werde dies bereits deutlich: So betrug der Anteil der Debitkartenzahlungen an den gesamten Transaktionen 2017 bereits 18,4 Prozent, 2008 waren es noch 11,9 Prozent.

Malte Krueger, Technische Hochschule Aschaffenburg, fügte hinzu, dass sich der Anteil der Barzahlungen im Handel jährlich in Deutschland um rund ein Prozent verringere. Man müsse aufpassen, dass der Anteil des Bargeldes sich nicht wie in Schweden so verringere, dass Händler anfangen, keine Barzahlung mehr zu akzeptieren. Grundsätzlich beklagte er, dass die Regulierung des Zahlungsverkehrs in den letzten 20 Jahren immens zugenommen habe. Krueger sagte: „Da muss Komplexität abgebaut werden.“

Ralf-Christoph Arnoldt, Deutsche Kreditwirtschaft, machte deutlich, dass die Bargeldzahlung in der deutschen Kultur stark verankert sei, es durch Corona aber einen Schub von bargeldlosem Zahlen gebe. Die bargeldlosen Transaktionen seien im Mai 2020 um 48 Prozent im Vergleich zum Mai 2019 gestiegen, die der Beträge aber nur um 34 Prozent. Arnoldt sagte: „Das bedeutet, dass auch für immer geringer Beträge Girocards eingesetzt werden.“ Derzeit würden die Deutschen in einem bargeldgetriebenen Mischsystem agieren.

Ulrich Binnebößel, Handelsverband, plädierte für Wahlfreiheit. Der Kundenwunsch müsse akzeptiert werden und beide Zahlungsmöglichkeiten vorgehalten werden. Er machte deutlich, dass bei beiden Methoden Fix- oder Transaktionskosten entstehen würden. Sie seien umso höher, je weniger Transaktionen mit der einen oder anderen Methode getätigt werden.

Julian Grigo, Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), trat dafür ein, viel stärker die Vorteile von bargeldlosem Zahlen in Vordergrund zu stellen und forderte mehr Innovationen. Aber auch er plädierte für die Wahlfreiheit des Verbrauchers und sagte: „Wir sind nicht für die Abschaffung des Bargeldes.“

Dirk Schrade, Deutsche Bundesbank, betonte, dass sich die Bundesbank in der Frage strikt neutral verhalte. Für den Verbraucher seien Kriterien wie Bequemlichkeit, Sicherheit, Kosten und Verfügbarkeit wichtig. Bargeld habe in jedem Fall eine Zukunft. Es funktioniere auch ohne Strom. Schrade sagte: „Wir werden in den nächsten Jahren keine bargeldlose Gesellschaft sehen.“

Kurosch D. Habibi, Bundesverband Deutscher Startups, unterstrich, dass er sich nicht um das Bargeld sorge sondern vielmehr darum, dass Deutschland den digitalen Anschluss verliert. Bargeldoses Zahlen ermögliche neue Geschäftsmodelle. Big Data wie Amazon würden jetzt schon vormachen, wie man sich auch als Plattform für Transaktionen positionieren könnte. Er mahnte: „Wenn wir das nicht machen, dann machen es andere.“ Habibi plädierte insgesamt für mehr Wettbewerb. „Das wird auch die Kosten für Verbraucher und Händler senken.“

Claus-Peter Praeg, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, kritisierte, dass es den deutschen Banken und Anbietern bislang nicht gelungen sei, ein wirkliches überzeugendes Zahlverfahren wie beispielsweise Pay Pal oder wie in China eine App mit Bezahlverfahren einzuführen, ein System, das bequem funktioniere und bei dem der Verbraucher zudem noch viel mehr als reine Finanztransaktion abrufen könne. Praeg fragte: „Muss ich mich als Anbieter auf den reinen Bezahlvorgang fokussieren oder kann ich nicht um den Bezahlvorgang Mehrwert für Kunden schaffen?“ Deutschland müsse bei der Digitalisierung mehr Geschwindigkeit aufnehmen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass digitales Zahlen zunehmen werde, warnte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband, dass Menschen mit geringen Budgets und schlechter Planung sich leichter überschulden könnten. Zudem unterstrich sie, dass Bargeld die Privatsphäre schütze.

Zum Thema Sicherheit äußerte Rainer Schönen, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), wenig Bedenken zu den QR basierten Apps. Sie würden über Token funktionieren und nicht mal der Händler würden die Kundendaten kennen.

Überwiegend einig waren sich die Fachleute darin, dass Kryptowährungen in Deutschland derzeit keine große Rolle spielen. Kryptowährungen ermöglichen einen digitalen Zahlungsverkehr ohne Zentralinstanzen wie etwa Banken. Deshalb seien sie nach Ansicht einiger Experten aber durchaus in Staaten mit Währungskontrollen wie Venezuela oder China wichtig.

Marginalspalte