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01.07.2020 Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit — Anhörung — hib 695/2020

Kritik an Änderungen im Abfallrecht

Berlin: (hib/LBR) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union ist vor allem in Detailfragen bei Experten auf Kritik gestoßen. Dies wurde am Mittwochmittag bei einer teils virtuell stattfindenden öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit deutlich. „Nach allen Prognosen wird das Aufkommen von Müll weiter steigen und die Frage, wie wir damit als Gesellschaft umgehen, ist entscheidend für Fragen des Klimaschutzes, der Biodiversität und des Ressourcenverbrauchs“, sagte die Ausschussvorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen).

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union (19/19373) sollen das Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie das Elektro- und Elektronikgerätegesetz geändert werden, um die Vorgaben des EU-Legislativpakets zur Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Zudem sollen mit dem Entwurf Verordnungsermächtigungen erlassen werden, um die Einwegkunststoff-Richtlinie umzusetzen. Eingeführt wird unter anderem auch eine Obhutspflicht für Produktverantwortliche, die künftig dafür sorgen soll, dass retournierte Waren nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet werden dürfen. Als wesentliche Änderungen des vorliegenden Entwurfs führt die Bundesregierung unter anderem die Stärkung der Vermeidung und Verwertung von Abfällen an. Beispielsweise werden demnach Recycling-Quoten erhöht und fortgeschrieben, die Pflicht zur Getrenntsammlung gestärkt und die im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) normierte Produktverantwortung erweitert.

Torsten Mertins (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände) benannte als Kritikpunkte, die fehlende Planungssicherheit für die kommunalen öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger: Das Fehlen eines Klagerechts für diese Entsorger bei gewerblichen Sammlungen sowie die geplante Ausweitung der freiwilligen Rücknahmen sehe die Vereinigung kritisch. Beide Punkte seien geeignet, die Gewichte zwischen kommunaler und privatwirtschaftlicher Abfallentsorgung im Kreislaufwirtschaftsgesetz einseitig zulasten der öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger zu verschieben. Dies bedeute einen Rückschritt für die kommunale Daseinsvorsorge. Mertins sprach sich dafür aus, zu den Regelungen des Referentenentwurfs des Umweltministeriums (BMU) vom August 2019 zurückzukehren.

Benjamin Peter vom Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte, dass die Novelle Regelungen enthalte, die den Handel „deutlich beeinträchtigen und weit über die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie hinausgehen.“ Insbesondere die neu eingeführten Obhutspflichten und die Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung aus der Einwegkunststoffrichtlinie seien abzulehnen, da sie „allein die Wirtschaft betreffen, die ohnehin wegen der Corona-Pandemie geschwächt ist“, sagte Peter. Transparenzpflichten zum Umgang mit retournierten Waren sollten vor dem Hintergrund des Bürokratieabbaus vermieden werden, sagte der Sachverständige. Der HDE begrüße, dass die freiwillige Rücknahme und Verwertung von Abfällen gleichwertig erfolgen soll.

Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) bedauerte, dass die Verordnungsermächtigung für eine Rezyklat-Initiative aus der Novelle herausgefallen sei. Eine wichtige Chance bleibe so ungenutzt. „Wir sehen in diesen Tagen bei dramatisch niedrigen Ölpreisen, dass Rezyklate aus dem Kunststoffbereich keine Chance haben gegen günstige Primärmaterialien“, sagte Kurth. Immer noch würden Produzenten „in keiner Weise in Mitverantwortung genommen“, den Kreislauf zu schließen. Er plädierte, schnellstmöglich ein Recyclinglabel für Beschaffer zu entwickeln. Nur mithilfe eines rechtssicheren, leicht verständlichen Labels könnten öffentliche und private Einkäufer nachhaltige Beschaffung praktizieren.

Das Hauptthema derzeit sei corona-bedingt die Situation der Wirtschaft, sodass ein Belastungsmoratorium nötig sei, sagte Hermann Hüwels vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Obhutspflicht für Erzeugnisse nannte er „abfall-wirtschaftlich fragwürdig“. Sie werde genau wie die Transparenzpflicht aufgrund des „unverhältnismäßigen Mehraufwands“ abgelehnt. Um mehr Recycling und Produktverantwortung zu erreichen, müssten freiwillige und marktwirtschaftliche Instrumente ermöglicht werden, insbesondere auch beim Einsatz von Rezyklaten, sagte der Sachverständige. Wettbewerbsnachteile oder Innovationshemmnisse wegen ordnungsrechtlicher Vorgaben dürften nicht das Ergebnis der Novelle sein.

Dass es „Waffengleichheit zwischen kommunalen und privaten Abfallsammlern“ brauche, betonte Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit (VKS). Durch die Veränderung des Referentenentwurfs bestehe nun nicht mehr die Möglichkeit eines Klagerechts für Kommunen. Er sprach sich dafür aus, die freiwillige Rücknahme von herstellerfremden Produktabfällen nur dann zuzulassen, wenn die geplante Verwertung höherwertiger sei als die Verwertung durch den zuständigen öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger. Thärichen betonte auch die Notwendigkeit, die Hersteller von Einwegartikel in die finanzielle Verantwortung für den entstehenden Reinigungsaufwand in den Städten zu nehmen.

Die Novelle könne einen erheblichen Beitrag zu einem funktionierenden Kreislaufwirtschaftsgesetz leisten, sagte Sascha Roth vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Der NABU bedauere jedoch, dass der Entwurf auf „halber Strecke“ von der linearen zu einer Kreislaufwirtschaft stehen bleibe. Er forderte, die Verpflichtung zum Recycling von Siedlungsabfällen bis 2035 auf 90 Prozent zu erhöhen, diese seien zu niedrig angesetzt. Auch forderte Roth, Rezyklate rechtlich zu definieren, eine Rezyklatquote einzuführen und die Biotonne bundesweit verpflichtend zu machen.

Claas Oehlmann, Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte, dass die Neuregelung bei der Produktverantwortung „Unsicherheit und keine Planbarkeit“ schaffe. Es bestehe die Gefahr, „tief in Produktdesign, Rohstoffauswahl und Vertriebswege“ einzugreifen, ohne die Effekte davon zu kennen. In Bezug auf die Obhuts- und Transparenzpflicht sei nicht dargelegt, welche ökologischen Vorteile dabei entstehen könnten, sagte Oehlmann.

Im Bereich der Produktverantwortung gebe es „gute Ansätze und Absichten“, sagte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena. Der Entwurf greife aus Sicht der Kommunen jedoch deutlich zu kurz. „Die Defizite der Praxis in der dualen Entsorgung werden mit der Novelle nicht aufgearbeitet, der Ansatz der Mengenquote wird leider fortgesetzt“, sagte Feige. Werde das Gesetz in der bestehenden Form beschlossen, bestehe etwa bei der Umsetzung der Pellet-Produktion ein „erhebliches Rechtsrisiko“. Er vermisse zudem insgesamt eine konsequente Betrachtung des Gesamtprozesses.

Auch Vera Susanne Rotter vom Institut für Technischen Umweltschutz der Technischen Universität Berlin sagte, der steigende Anteil der Abfallmengen, etwa bei Verpackungen, verdeutliche den Handlungsbedarf. Sie betonte, dass die Klimaziele nur durch hohe Recycling-Quoten erreicht werden könnten. Verknüpft werden müssten die Abfallvermeidung und das Ziel der hochwertigen Verwertung. Obwohl dies bereits in der Vergangenheit oberste Priorität gehabt habe, habe sich wenig getan. Helfen könnten quantitative Vermeidungsziele, sagte Rotter.

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