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07.09.2020 Haushalt — Anhörung — hib 909/2020

Entlastung der Kommunen stößt in Anhörung auf Zustimmung

Berlin: (hib/SCR) Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie Sachverständige haben bei einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss am Montag fast einhellig die von der Großen Koalition geplante finanzielle Entlastung von Städten und Gemeinden grundsätzlich begrüßt. Im Detail unterbreiteten sie diverse Verbesserungs- und weitergehende Reformvorschläge. Die Koalition plant, Städte und Gemeinden zum einen durch eine höhere Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entlasten. Zum anderen wollen Bund und Länder den Kommunen die durch die Corona-Pandemie erwarteten Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer in diesem Jahr pauschal ausgleichen. Zudem sollen ostdeutsche Länder bei den Aufwendungen der Rentenversicherung aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR entlastet werden. Dazu haben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen wortgleiche Gesetzentwürfe vorgelegt (19/20598, 19/21753). Für die erhöhte Bundesbeteiligung sowie den Gewerbesteuerausgleich sind zudem Änderungen am Grundgesetz geplant (19/20595, 19/21752). Die Entwürfe sollen am Donnerstag abschließend im Plenum beraten werden.

Katja Wolf, Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach, bezeichnete die geplante Entlastung bei den KdU in ihrer Stellungnahme „als Zeichen des Bundes, dass die Kommunen hier nicht allein gelassen werden“. Mit Bezug auf den Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen sei es wichtig, dass der bürokratische Aufwand und der Abstimmungsbedarf so gering wie möglich gehalten werden, betonte Wolf. Sie forderte vor dem Hintergrund, dass beispielsweise in Eisenach im freiwilligen Ausgabe-Bereich und bei den Investitionen nur das nötigste gemacht werden könne, die Kommunen auch in den kommenden Jahren „nicht im Regen stehen zu lassen“.

„Die Maßnahmen des Bundes werden den Kommunen im Jahr 2020 sehr helfen“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Wie auch Wolf verwies Verena Göppert (Deutschen Städtetag) in der Anhörung auf die Herausforderungen für die Kommunalfinanzen in den kommenden Jahren. Uwe Zimmermann (Deutscher Städte- und Gemeindebund) erneuerte die Forderung nach einem Altschuldenfonds für Kommunen in Anlehnung an den Solidarpakt.

Teils umstritten war, ob es zur Umsetzung der Vorhaben zwingend der Grundgesetzänderungen bedürfe. Für den Bundesrechnungshof bezweifelte Dieter Hugo, dass es für den Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen notwendig ist, die Verfassung zu ändern. Dies sei auch auf einfachgesetzlichen Wege möglich. Ähnlich äußerte sich Hans-Günter Henneke (Deutscher Landkreistag) in seiner schriftlichen Stellungnahme.

Die Grundgesetzänderung hinsichtlich der Übernahme der KdU lehnte Rechnungshof-Vertreter Hugo inhaltlich ab. Die Koalition will damit ausschließen, dass die erhöhte Bundesbeteiligung von bis zu 74 Prozent zu einer Bundesauftragsverwaltung führt. Aus Sicht des Rechnungshofs wäre dies aber der vorzuziehende Weg, ermögliche er doch eine bessere Prüfung der Mittelverwendung. Ähnlich äußerte sich Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, warum in diesem Fall von der Bundesauftragsverwaltung abgewichen werde.

Der Rechtswissenschaftler Johannes Hellermann (Universität Bielefeld) führte aus, dass der angestrebte Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen ohne Änderung des Grundgesetzes „überzeugend nicht erreichbar“ erscheine. Die von der Koalition vorgeschlagene Grundgesetzänderung mit Blick auf die Übernahme der KdU bezeichnete Hellermann in seiner Stellungnahme „zumindest verfassungsästhetisch wenig erfreulich und auch in sachlicher Hinsicht diskutabel“.

Thomas Lenk (Universität Leipzig) betonte, dass die geplante Entlastung bei den KdU für die Kommunen spürbar sei. Die Regelung stehe zwar außerhalb der „grundlegenden verfassungsrechtlichen Systematik“. Die erhöhte Bundesbeteiligung stärke aber das Prinzip der Veranlassungskonnexität („Wer bestellt, der zahlt“). Es sei nicht zu erwarten, dass sich die Kommunen trotz geringerer Eigenbeteiligung ineffizient verhalten werden. Die Verwaltung vor Ort sichere eine an den „örtlichen beziehungsweise regionalen Verhältnissen orientierte Prüfungs- und Gewährungspraxis“, heißt es in seiner Stellungnahme.

Thomas Döring (Hochschule Darmstadt) begrüßte die Maßnahmen ebenfalls im Grundsatz. Problematisch sei aber, dass bei den KdU weiterhin eine Mischfinanzierung existieren werde. Das führe zu ineffizienten Entscheidungen, sagte Döring. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Koalition seien aus finanzwissenschaftlicher aber „lediglich ad-hoc-Maßnahmen“, schrieb Döring in seiner Stellungnahme, „welche die nach wie vor aus finanzwissenschaftlicher Sicht anstehenden Reformen bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen ebenso wie mit Blick auf das Gemeindefinanzierungssystem nicht ersetzen können“. Auch der Sachverständige Vosgerau sprach sich für grundlegende Reformen bei den Bund-Länder-Finanzen aus.

Jens Südekum (Heinrich Heine Universität Düsseldorf) nannte die Pläne „im Grundsatz richtig und notwendig“. Sie könnten sich aber gegebenenfalls als unzureichend erweisen, sollte die Krise schwerer verlaufen. Südekum betonte, dass die Situation der Kommunalfinanzen schon vor Corona angespannt gewesen sei. Bund und Länder müssten mit einem „beherzten Einschreiten“ gewährleisten, dass „die Handlungsfähigkeit der Kommunen gewährleistet ist“, schrieb der Ökonom in seiner Stellungnahme.

Martin Junkernheinrich (Universität Kaiserslautern) betonte, dass die begrüßenswerte Entlastung bei den KdU das grundsätzliche Problem kommunaler Altschulden nicht löse. Die Teil-Übernahme der Altschulden durch Bund und Länder hätte ein „wichtiges Reformelement“ sein können und bleibe so auf der finanzpolitischen Agenda, führte Junkernheinrich aus.

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