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01.10.2020 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 1043/2020

Verfassungsschützer: Amri kein „reiner Polizeifall“

Berlin: (hib/WID) Ein ranghoher Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) die Auffassung bekräftigt, dass seine Behörde vor dem islamistischen Anschlag an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit dem späteren Attentäter Anis Amri nur am Rande befasst gewesen sei. „Aus meiner Perspektive hat es sich um einen Sachverhalt in polizeilicher Zuständigkeit gehandelt“, sagte der Leitende Regierungsdirektor Gilbert Siebertz am Donnerstag. Der heute 53-jährige Zeuge ist seit Anfang 2015 in der mit der Abwehr radikalislamischer Bestrebungen betrauten Abteilung 6 tätig, wo er im Juni 2020 in den Rang eines Abteilungsleiters aufstieg. Vor dem Ausschuss hatte er bereits am 27. September 2018 öffentlich und nichtöffentlich ausgesagt.

Den Satz, Amri sei ein „reiner Polizeifall“ gewesen, würde er allerdings heute „so nicht mehr verwenden“, weil er „missverständlich“ sei, betonte der Zeuge. Der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen hatte diese Formulierung Anfang 2017 geprägt. Siebertz selbst hatte sie, wie er am Donnerstag erinnerte, in seiner vorherigen Vernehmung durch den Ausschuss mehrfach benutzt.

Dass die Federführung bei der Polizei gelegen habe, habe freilich den Verfassungsschutz nicht davon abhalten können, sich „im Bereich unserer eigenen Zuständigkeit“ ebenfalls mit Amri zu beschäftigen: „Wo möglich, hätten wir den Polizeibehörden zugearbeitet.“ Dies sei vor dem Attentat allerdings nie der Fall gewesen, weil der Verfassungsschutz damals über keine Erkenntnisse verfügt habe, die über den polizeilichen Wissenstand hinausgegangen wären: „Dass wir uns operativ mit Amri beschäftigt haben, habe ich nie bestritten. Die Zuständigkeit lag aber bei der Polizei.“

In der Überzeugung, dass Amri dort in guten Händen war, habe er auch keine Notwendigkeit gesehen, einen V-Mann seiner Behörde in der Moabiter Fussilet-Moschee, wo Amri aus und ein ging, gezielt an diesen „heranzusteuern“, sagte der Zeuge weiter. Der Informant habe im Salafistenkreis um die Fussilet-Moschee mit Amri keine persönliche Berührung gehabt, ihn auf einem Foto nicht einmal erkannt. Spätestens seit Anfang 2016 habe der Verfassungsschutz gewusst, dass das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt Amri von einem hoch effizienten V-Mann bearbeiten ließ: „Wir haben einen Sachverhalt in polizeilicher Zuständigkeit, wo eine VP dran ist, die die dollsten Sachen erzählt. Warum sollte ich in dem Zusammenhang meine VP an ihn heransteuern?“

Durch Hinweise, die der Informant des Düsseldorfer Landeskriminalamts beschafft hatte, war Anfang 2016 bekannt geworden, dass Amri damals angeblich Schnellfeuergewehre der Marke AK47 in Frankreich oder Italien erwerben wollte: „Natürlich waren wir zu dem Zeitpunkt auch der Meinung, dass das einen gefährliche Person ist, und diesem Sachverhalt nachzugehen ist. Dass wir es hier mit einem Gefährdungssachverhalt zu tun haben, den man ernst nehmen muss, sehr ernst nehmen muss.“

Insofern seien auch Mutmaßungen über terroristische Absichten Amris, die der marokkanische Geheimdienst im September und Oktober 2016 deutschen Behörden in vier Schreiben hatte zukommen lassen, „nichts Neues“ gewesen. Ohnehin habe es sich nicht um konkrete Warnungen vor einem bevorstehenden Anschlag gehandelt. Die Marokkaner hätten offenbar Erkenntnisse über eigene Staatsbürger mit Wissensstand deutscher Behörde abgleichen wollen.

Im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehörden übernahm es damals der Verfassungsschutz, den Hinweisen nachzugehen. Der Zeuge gab die Ansicht zu erkennen, dass dieser Auftrag bei seiner Behörde an der falschen Adresse gewesen sei. Womöglich handele es sich um eine nachträglich nicht ausgeräumte missverständlich Formulierung im Protokoll. Der Verfassungsschutz sprach einen „potenteren“ befreundeten Nachrichtendienst auf die Sache an, ohne die Herkunft der Informationen aus Marokko zu nennen. Er habe lediglich den eigenen Wissensstand zusammengefasst und gefragt, ob es weitergehende Erkenntnisse gebe. Eine Antwort traf erst nach dem Berliner Anschlag ein.

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