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02.10.2020 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 1045/2020

BfV-Spitze hatte Amri nicht auf dem Schirm

Berlin: (hib/WID) Der Führungsebene des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist der Name des Attentäters Anis Amri erst nach dem Anschlag an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bekannt geworden, obwohl der Mann seit langem als Gefährder gelistet war. Der Leiter der für Islamismus und islamistischen Terrorismus zuständigen Abteilung 6, Klaus Rogner, sagte am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“), nach seiner Erinnerung sei er in den wöchentlichen Runden der ihm untergebenen Referatsgruppenleiter kein einziges Mal auf Amri angesprochen worden. Der heute 54-jährige Zeuge steht seit 2011 an der Spitze der Abteilung, in der er zuvor seit 2008 als Referatsgruppenleiter tätig war.

Auch der damalige Präsident des Bundesamtes Hans-Georg Maaßen hatte Amri nach dem Eindruck des Zeugen offenbar nicht auf dem Schirm. Rogner berichtete, Maaßen habe ihn nach dem Anschlag angerufen und gefragt: „Wer ist das? Kennt ihr den?“ Er habe es „geliebt, seine Abteilungsleiter mit Detailfragen zu überziehen“, zumal, wenn sie ihm öffentlichkeitswirksam erschienen seien. Ähnlich wie der damalige Behördenchef, sagte der Zeuge, habe er freilich auch selber reagiert, als ihn während der Rekonvaleszenz von einer schweren Krankheit ein Mitarbeiter telefonisch über die Identität des Täters informiert habe: „Wer ist Anis Amri? Keine Ahnung.“

In den Referatsgruppenleiter-Runden seiner Abteilung kämen Sachverhalte zur Sprache, die nach dem Urteil der Untergebenen gewichtig genug seien, dass sie zu seiner Kenntnis gelangen mussten oder gar sein Eingreifen erforderten. So sei Amris Name ihm erst nach dem Anschlag bekannt geworden. Zuvor sei die Sache für die damit befassten Sachbearbeiter offenbar „von keiner Wertigkeit dergestalt“ gewesen, „dass sie zu mir vorgedrungen ist“.

An das Jahr 2016, das mit den islamistischen Attentaten in Brüssel begann und mit Amris Anschlag in Berlin zu Ende ging, erinnerte sich der Zeuge als „die größte Herausforderung meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit“. Dies habe an einem „nicht enden wollenden Aufkommen von Hinweisen auf Anschlagsplanungen“ gelegen. Die islamistische Bedrohung habe stetig zugenommen. Die Zahl islamisch-fundamentalistischer Salafisten, die zwar nicht durchweg gewalttätig, für terroristische Versuchungen aber besonders anfällig seien, habe sich in Deutschland von 7000 im Jahr 2014 auf 12.000 nach heutigem Stand erhöht.

Die Gruppe der Gefährder, der „Personen aus dem islamistisch-terroristischen Personenpotential“ in der Terminologie des Verfassungsschutzes, sei seit 2016 von 1500 auf 2200 angewachsen. Es handele sich um eine „hoch volatile, kaum berechenbare“ Klientel. Hier werde „trotz umfassender Anstrengungen eine vollständige Überwachung“ nie gelingen. Seit 2014 habe der Verfassungsschutz seine Fähigkeit in der Abwehr des Islamismus ausgebaut, neue Planstellen geschaffen, Strukturen verändert. Dennoch: „Eine letzte Gewähr, jeden Anschlagsplan rechtzeitig zu erkennen, gibt es nicht.“

So könne er rückblickend auch keinen Anhaltspunkt erkennen, was der Verfassungsschutz im Fall Amri anders hätte machen oder entscheiden müssen, welche Fehler durch Tun oder Unterlassen begangen wurden. Ähnlich hatte sich zuvor Rogners Kollege Gilbert Siebertz vor dem Ausschuss ausgedrückt. Er empfinde Amris Anschlag als „persönliche Niederlage“, so Siebertz: „Da hätte man noch mehr machen können. Ich sehe aber nicht, was das BfV mehr hätte machen können.“

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