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26.10.2020 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 1142/2020

EU-Flüchtlingspolitik kontrovers bewertet

Berlin: (hib/FLA) Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Flüchtlings- und Asylpolitik werden von Experten sehr unterschiedlich bewertet. Dies hat sich in den schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen für eine Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat gezeigt. Ausgangspunkte der Sitzung waren Anträge der Fraktion Die Linke (19/22125) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/18680) zur europäischen Flüchtlingspolitik.

Gesine Schwan (Humboldt-Viadrina Governance Platform) befand, auch der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission zur Flüchtlings- und Asylpolitik widerspreche den proklamierten Werten der EU und biete keine Chancen dafür, die aktuelle Praxis in dieser Hinsicht zu verbessern. Der Vorschlag verzichte auf einen Weg, wie die geordnete und verlässliche dezentrale Aufnahme von Geflüchteten gestaltet werden kann. Ein solcher Weg könne nach den Erfahrungen der letzten fünf Jahre nur über eine freiwillige Aufnahme von Geflüchteten mit positiven Anreizen für die aufnehmenden Länder und Kommunen verlaufen. Schwan regte dazu einen EU-Fonds an. Sie sehe keine rechtlichen Bedenken, wenn eine „Koalition williger Staaten“ sich zur Aufnahme bereit erkläre und mit ihren jeweiligen aufnahmebereiten Kommunen zusammenarbeite.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, bescheinigte den Anträgen der Fraktionen, wichtige Herausforderungen eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zu thematisieren. Insgesamt stellten die Vorschläge der EU-Kommission aus Verwaltungssicht einen guten Bezugspunkt für die Weiterentwicklung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Allerdings seien noch einige, teilweise auch weitergehende Anpassungen erforderlich, damit diese ohne Qualitätseinbußen und mit vertretbarem Aufwand in die deutsche Verwaltungspraxis übernommen werden könnten.

Daniel Thym (Universität Konstanz) strich heraus, dass eine kluge Migrationspolitik überstaatlich vernetzt vorgehen müsse. Das Grundgesetz unterstütze die Suche nach einer europäischen Lösung. Das Migrations- und Asylpaket der EU-Kommission kombiniere staatliche Steuerungsanliegen mit dem flüchtlingsrechtlichen Schutzbedarf. Bei dessen Bewertung solle man sich vor falschen Alternativen hüten. Es gehe nicht um eine binäre Entscheidung zwischen Schutz oder Kontrolle, sondern um die Kombination von rechtlichen und moralischen Schutzanliegen mit legitimen staatlichen Steuerungsinteressen.

Raphael Bossong (Stiftung Wissenschaft und Politik) stellte fest, dass es für strukturelle Lösungsansätze in der Flüchtlings- und Asylpolitik eine effektive Kopplung von restriktiven und liberalen Elementen brauche. Ein erstes greifbares Element dafür sei der Vorschlag der EU-Kommission für einen neuen Krisenmechanismus zur Bewältigung besonders großer oder unvorhergesehener Zuwanderungsbewegungen, der beispielsweise Verfahrensfristen verlängere, aber ebenso neue Schutzmöglichkeiten schaffen wolle. Wenn es tatsächlich um das Vermeiden einer erneuten Situation wie 2015 gehe, sei dies mindestens so entscheidend wie die derzeit politisch dominante Fokussierung auf verstärkte Rückführungen.

Bernd Kasparek (Universität Göttingen) legte dar, dass der Zugang zum Asylsystem im Süden, Südosten und Osten der EU eingeschränkt sei. Menschen-, völker- und auch europarechtliche Garantien würden in oftmals systematischer Weise unterlaufen. Die EU-Kommission adressiere in ihrem Migrations- und Asylpaket die eklatanten Grundrechtsverletzungen, die sich täglich an Europas Grenzen ereigneten, nicht. Zwar werde die Wahrung der Grundrechte vielfach angemahnt. Neue oder robuste Mechanismen, um den Grundrechten wieder Geltung zu verschaffen, schlage die Kommission aber nicht vor.

Constantin Hruschka (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik) machte sich stark für eine weitere Einschränkung der Möglichkeiten, Binnengrenzkontrollen wiedereinzuführen. Grundrechts- und schutzsensible Grenzkontrollen an den Außengrenzen müssten mit einem robusten, unabhängigen Monitoring versehen werden. Gemeinsame europäische Asylverfahren sollten auf dem Territorium der Mitgliedstaaten und nicht oder nur in Ausnahmefällen in Transitzonen durchgeführt werden. Er setzte sich für ein Ende der Verteilungsdiskussionen ein. Diese Diskussionen müssten durch eine perspektivisch auf gemeinsame Verantwortungsübernahme durch die Mitgliedsstaaten für Schutzgewährung und Rückführung ausgerichtete europäische Asylpolitik abgelöst werden.

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