Experten begrüßen Digitalisierung von Familienleistungen
Berlin: (hib/SAS) Bei Sachverständigen stößt das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen (19/21987, 19/22776) überwiegend auf Zustimmung. Das zeigte eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Jochen Haug (AfD) am Montag.
Die Mehrheit der Experten begrüßten die Gesetzesinitiative, zu der die Fraktionen von CDU/CSU und SPD noch einen umfangreichen Änderungsantrag vorgelegt hatten, als gelungenes Beispiel für andere, in Zukunft noch zu digitalisierende Verwaltungsleistungen.
So betonte etwa Uda Bastians, Beigeordnete beim Deutschen Städtetag, mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz in ihrer Stellungnahme zunächst, Ziel aller Bemühungen um die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sei eine „vollständige Digitalisierung“. Ein „digitales Interface“ für die Bürger als Nutzer reiche nicht aus, wenn anschließend die erhobenen Daten „händisch“ innerhalb der Verwaltung weiterverarbeitet werden müssten. Ziel sei es, Bürgern und Behörden einen Mehrwert zu bieten. In dieser Hinsicht sei der vorliegende Entwurf für ein Digitale-Familienleistungen-Gesetz ein „Meilenstein“. Es zeige exemplarisch, wie eine digitale Verwaltung aufgebaut sein solle. Allerdings monierte Bastians, dass die Vorlage des Entwurfs drei Jahre gedauerte habe. Das sei angesichts der noch zu digitalisierenden „574 Verwaltungsleistungen“ viel zu lang.
Lobend äußerte sich auch Dirk Heckmann, Professor für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der TU München: Der Gesetzentwurf verfolge mit der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen einen wichtigen Zweck, denn diese spare Zeit, reduziere den Aufwand für Bürger und Behörden und verbessere letztlich auch die Validität der Daten. Die einzelnen Regelungen seien zudem „schlüssig und zielführend“. Positiv bewertete Heckmann insbesondere die mit dem Änderungsantrag vorgesehene Möglichkeit, neben einem Bürgerkonto auch ein Organisationskonto zum Beispiel für Unternehmen oder Institutionen einzurichten. Dies trage zur Nutzerfreundlichkeit bei. Eine Inkonsistenz sah er hingegen bei der geplanten Regelung der Bekanntgabe-Fiktion. Diese sei im Entwurf und im geplanten OZG unterschiedlich geregelt und sei „zu überdenken“.
Moritz Karg, Leiter des Referats Grundsatzfragen der Digitalisierung und des E-Government im Digitalisierungsministerium des Landes Schleswig-Holstein, empfahl wiederum, das vorgesehene Erfordernis einer Einwilligung für die Übermittlung personenbezogener Daten im Entwurf zu streichen. „Wenn Sie das Ziel des Gesetzes, Verwaltungsvereinfachung und Nutzerfreundlichkeit auch für Behörden, ernst nehmen, dann sollten Sie das Einwilligungserfordernis nicht aufrechterhalten“, sagte Karg. Denn dieses führe zu großem Verwaltungsaufwand, da jede einzelne Stelle die Einwilligung „erhalten, vorhalten und managen“ müsse. Er plädierte stattdessen dafür, für die datenschutzrechtlich geforderte Legitimation zur Datenverarbeitung eine „klare, transparente und zweckbezogenen Rechtsgrundlage“ zu schaffen.
Dem widersprach Gabriel Schulz, stellvertretender Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern: Die Einwilligung sei eine der grundlegenden Rechtsgrundlagen, die die Datenschutzgrundverordnung vorgebe. „Insofern gibt es keine Veranlassung, davon abzusehen.“ Die Regelung im Gesetzentwurf, sei „genau der richtige Kompromiss“. Kontrovers beurteilten die Sachverständige auch die geplante Nutzung der Steuer-ID als zentrale Personenkennziffer, vor der Datenschützer bereits ausdrücklich warnen: So sagte auch Experte Schulz, er sehe die Bestrebungen im Zuge des geplanten Registermodernisierungsgesetzes einen einheitlichen „Identifier“ einzuführen, mit Sorge. Sie würden die Gefahr „grundrechtswidrige Regelungen“ bergen. Insofern sei es „fatal“, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Steuer-ID als eine bereichsübergreifende Kennung nun auch bei Familienleistungen eine Rolle spielen solle.
Diese Meinung vertrat auch der IT-Sicherheitsexperte Rainer Rehak. Als Sachverständiger für das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung übte er zudem erhebliche Kritik am Gesetzentwurf als Ganzes. Die Bundesregierung werde damit dem eigenen erklärten Anspruch nicht gerecht, „die Potentiale der Digitalisierung“ heben zu wollen. Mehr noch: „Der Entwurf ist ein Beispiel, wie es nicht gemacht werden sollte“. Problematisch sei bereits die Gesamtkonzeption: Mit dieser werde eine „riesige, deutsche Verwaltungsinsel“ geschaffen, die aus Sicht von Datenschutz und IT-Sicherheit nicht „vertretbar“ sei, bemängelte Rehak. Die Prozesse seien vor allem für die Verwaltung optimiert worden, das gehe zu Lasten der Bürger. Nichts werde kryptographisch abgesichert oder signiert. Das erschwere es, Verwaltungshandeln nachzuprüfen, etwa durch externe Audits. Auch sei eine Interoperabilität mit europäischen Verfahren nicht gewährleistet, weil der EU-Zustellstandard eDelivery „ignoriert“ werde.
Eike Richter, Professor für Öffentliches Recht, Recht der Digitalisierung und IT-Sicherheitsrecht an der Akademie der Polizei in Hamburg, begrüßte zwar grundsätzlich den Gesetzentwurf und betonte, dieser gehe in die richtige Richtung. Er bemängelte jedoch, dass durch den dazu noch vorgelegten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auch „grundlegende“ Änderungen des Onlinezugangsgesetz (OZG) quasi „Huckepack“ vorgenommen würden. Angesichts der Vielzahl der Änderungen sei ein eigener Gesetzentwurf angemessen gewesen, sagte Richter. Er sprach sich angesichts verschiedener von Regelungswerke zum allgemeinen Verwaltungsrecht zudem für eine „integrierende Reform des Verwaltungsverfahrensrechts und der Digitalisierung“ aus. Ohne diese drohe die Gefahr von „Inkonsistenzen und Widersprüchen“, die die Umsetzung erschwerten. Das zeige auch der aktuelle Gesetzentwurf. (sas)