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02.11.2020 Inneres und Heimat — Ausschuss — hib 1182/2020

Verstetigung von Anti-Terror-Befugnissen umstritten

Berlin: (hib/WID) Die Absicht der Bundesregierung, die seit 2002 befristet geltenden erweiterten Befugnisse der Nachrichtendienste im Kampf gegen Terrorismus endgültig festzuschreiben, stößt unter Rechtswissenschaftlern und Datenschützern auf Bedenken. In einer Anhörung des Innenausschusses wiesen Sachverständige auf zwischenzeitlich ergangene Urteile des Bundesverfassungsgerichts hin, aus denen die Grundgesetzwidrigkeit mehrerer der zur Entfristung vorgesehenen Regelungen klar abzuleiten sei. Für den Gesetzentwurf sprach sich der Vertreter des Bundeskriminalamts aus. Das nach den Terrorattacken des 11. September 2001 in den USA von der damaligen Bundesregierung geschaffene Terrorismus-Bekämpfungsgesetz sollte unter anderem die Überwachung der Internet- und Telekommunikation sowie den Austausch von Daten zwischen Nachrichtendiensten und Strafverfolgern erleichtern.

Das Bundesverfassungsgericht habe mittlerweile mehrere der in Rede stehenden Bestimmungen „sturmreif geschossen“, unter anderem durch die Entscheidung vom Mai dieses Jahres, die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur Überwachung ausländischer Fernmeldeverkehre zu begrenzen, betonte der Mainzer Professor für Öffentliches Recht Matthias Bäcker. Dies gelte insbesondere für die Vorschriften zur Datenübermittlung zum Zweck der Strafverfolgung, die seither verfassungsrechtlich „nicht zu halten“ seien. Es habe keinen Sinn, „punktuell an Mängeln herumzuschustern“, die nur die „Spitze des Eisberges“ darstellten. Dringend erforderlich sei vielmehr eine „verfassungsrechtlich angeleitete Reform“, was bedeute: „Das geltende Recht wegwerfen und neu machen.“

Im selben Sinne äußerte sich der Kölner Anwalt Nikolaos Gazeas, der die zur Entfristung vorgesehenen Vorschriften zur Datenübermittlung „in der gegenwärtigen Fassung verfassungswidrig“ nannte. Auch Gazeas wies auf das Karlsruher Urteil vom Mai dieses Jahres hin; der Gesetzgeber dürfe dieses „Verdikt nicht ignorieren“. Das derzeitige Recht der Nachrichtendienste sei ein „Trümmerhaufen“, sagte Gazeas. Eine Totalreform sei gewiss „kein leichtes Unterfangen“. Jedoch dürften begrenzte „Kapazitäten innerhalb von Ministerien kein Grund sein, verfassungswidrige Zustände weiter aufrecht zu erhalten“.

Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Ulrich Kelber appellierte an das Parlament, die vom Bundesverfassungsgericht vorgebene Aufgabe zu erledigen „statt über die Entfristung einzelner Normen zu diskutieren“. Dafür sei derzeit nicht der richtige Zeitpunkt. Die Geschäftsführerin des seit 2010 in Berlin wirkenden Vereins „Digitale Gesellschaft“, Elke Steven, forderte vor jeder weiteren Diskussion über die Verstetigung von Antiterror-Befugnissen eine „Überwachungsgesamtrechnung“ und eine „Freiheitsbestandsanalyse“. Sie beklagte, die Bürger könnten ihre Grundrechte mittlerweile kaum noch wahrnehmen, ohne damit rechnen zu müssen, überwacht zu werden. Steven hinterfragte auch den Begriff des Terrorismus selbst, der ihrer Ansicht nach geeignet sei, Vorbehalte gegen den Islam und Misstrauen gegen Migranten zu schüren.

Als sowohl verfassungsrechtlich wie inhaltlich unbedenklich bewertete hingegen der Bonner Professor für Öffentliches Recht Klaus Ferdinand Gärditz den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Auch er betonte, dass es „gute Gründe“ für eine „Gesamtreform“ des Rechts der Nachrichtendienste gebe, doch sei für umfassende Regelungen dieser Art „jetzt nicht die Zeit“. Gärditz machte geltend, dass die Nachrichtendienste bisher von ihren erweiterten Befugnissen einen lediglich „selektiven“ und keineswegs „extensiven“ Gebrauch machten. So komme es im Durchschnitt etwa 70 Mal im Jahr vor, dass Telekommunikationsanbieter oder andere Dienstleister zu Auskünften gemäß den Bestimmungen des Gesetzes verpflichtet würden. Gemessen an jährlich 10.000 Telefonüberwachungen lasse diese Zahl eine maßvolle Praxis erkennen.

Aus Polizeisicht befürwortete der Vizepräsident des Bundeskriminalamts Jürgen Peter energisch den Entwurf der Bundesregierung. Terrorismus sei heute „aktueller denn je“. Erkenntnisse von Nachrichtendiensten seien auch für die polizeiliche Ermittlungsarbeit und die Strafverfolgung unverzichtbar.

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