Zeuge räumt Kommunikationspannen im BND ein
Berlin: (hib/WID) Nach dem radikalislamischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hat der Bundesnachrichtendienst (BND) sein Kommunikationsverhalten gegenüber anderen Sicherheitsbehörden einer kritischen Neubewertung unterzogen. Allerdings habe es dabei keine Pannen gegeben, die den Gang der Ereignisse oder der späteren Ermittlungen wesentlich hätten beeinflussen können, sagte ein damals im Bundeskanzleramt zuständiger Beamter am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Der heute 53-jährige Direktor beim Bundesnachrichtendienst Sven-Rüdiger Eiffler leitete vom August 2008 bis zum November 2017 das Referat 604 im Bundeskanzleramt, das die Rechts- und Fachaufsicht über die Terrorismusabteilung im BND führt. Zum Bundesnachrichtendienst wechselte Eiffler anschließend als Abteilungsleiter.
Den Anschlag des Tunesiers Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche habe er als „berufliche Niederlage“ empfunden, sagte der Zeuge. Für jede Sicherheitsbehörde sei ein solcher „Schlag ein Anlass zu fragen, ob man seine Arbeit richtig gemacht hat“. Eine derartige Selbstprüfung habe die Fachaufsicht im Kanzleramt damals auch vom BND erwartet. Dort sei „Optimierungsbedarf“ vor allem im Informationsaustausch und in der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erkennbar gewesen: „Es hätte an der einen oder anderen Stelle besser funktionieren können, aber das hätte bei der Bearbeitung des Falles insgesamt keinen Unterschied gemacht.“
Als Versäumnis des BND nannte der Zeuge, dass im Herbst 2016 Hinweise eines marokkanischen Geheimdienstes auf radikalislamische Umtriebe Amris in Deutschland nicht umgehend im Original an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) weitergeleitet wurden: „Wir haben eine ganze Fülle von Maßnahmen getroffen, die dazu führen sollen, dass so etwas nicht nochmal passiert.“ Beide Behörden hätten seither unter anderem durch Hospitationen und regelmäßigen Meinungsaustausch die „Sensibilität“ für Bedürfnisse und Belange der jeweils anderen „geschärft“.
Im konkreten Fall sei es allerdings so gewesen, dass die Information aus Marokko auch dem Bundeskriminalamt (BKA) vorgelegen habe. Das BfV sei in einer Sitzung des Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrums (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehörden mit dem Inhalt vertraut gemacht worden. Nach der „reinen Lesart“ sei das sicher „nicht der optimale Weg“ gewesen, habe aber auch keine gravierenden Auswirkungen gehabt.
Ähnlich bewertete der Zeuge den Umstand, dass der BND in der Zeit nach dem Anschlag drei Videos aus dem Bestand eines ausländischen Nachrichtendienstes, auf denen unter anderem zu sehen war, wie Amri mit seiner Waffe posierte, drei Monate lang für sich behielt. Er selbst habe Ende Februar 2017 erfahren, was die Dateien zeigten, sagte er. Allerdings habe es in den Ermittlungen nach dem Anschlag dringlichere Prioritäten gegeben. Die Videos seien „nicht so entscheidend“ gewesen, dass sie „nicht hätten zurückgestellt werden können“.
Eiffler betonte dass die Rechts- und Fachaufsicht über den BND im Kanzleramt keine unmittelbare Teilhabe an den Aktivitäten des Geheimdienstes erfordert habe: „Wir waren nicht in der Tiefe in Fallgestaltung und Personenbearbeitung involviert.“ Namentlich von der „operativen Bearbeitung Amris“ sei man im Kanzleramt „sehr weit weg“ gewesen: „Vor dem Anschlag habe ich von dieser Person und damit zusammenhängenden Maßnahme nichts mitbekommen. Mein Referat sah sich nicht als die ermittlungsführende Stelle an.“
Wie der Zeuge weiter bestätigte, war im Kanzleramt relativ früh bekannt, dass Amri bei seinem Attentat von einem Mentor aus dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Libyen angeleitet wurde. Bereits vier Tage nach dem Anschlag war aus seinem Referat die Einschätzung geäußert worden, Amri sei kein „selbständig agierender Einzeltäter“ gewesen, sondern habe unter einer „gewissen Beeinflussung von außen“ gehandelt.