+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

27.11.2020 3. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 1320/2020

Wirecard behinderte Sonderuntersuchung

Berlin: (hib/FLA) Im 3. Untersuchungsausschuss („Wirecard“) haben die Abgeordneten auf Granit gebissen, als sie sich mit der Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY bei dem Skandal-Finanzdienstleister beschäftigen wollten. Vier Zeugen aus dem Unternehmen verweigerten jede Aussage im Zusammenhang mit Wirecard. Zwei Spitzenmanagern, die zahllose Fragen an sich abprallen ließen und sich nur abstrakt zur Prüfthematik äußerten, wurde jeweils ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro aufgebrummt. 1000 Euro muss auch ein Berater von der Firma Baker Tilly zahlen.

Diese Zeugen sprachen von der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung, wenn sie sich nicht an ihre Verschwiegenheitspflicht hielten. Davon waren sie zwar vom Insolvenzverwalter und der neuen Unternehmensspitze befreit worden. Doch die ursprünglichen Auftraggeber - die alte Führung - müssten dies auch tun. Die Anwälte sprachen von einer uneinheitlichen Rechtslage und hoben auf eine richterliche Klärung ab. Die Ausschussmitglieder sahen das anders. Zwei Wirtschaftsprüfer von EY blieb indes das Ordnungsgeld erspart, weil sie geltend machten, dass gegen sie derzeit wegen testierter Jahresabschlussprüfungen berufsaufsichtliche Ermittlungen durch die zuständige Aufsichtsbehörde liefen und sie sich womöglich belasten könnten.

Seit Oktober vergangenen Jahres durchleuchtete auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer Sonderuntersuchung das Geschäftsgebaren. Die war vom Aufsichtsrat beauftragt worden - nach Berichten über massive Unregelmäßigkeiten bei Wirecard. Der Leiter der Untersuchung, Alexander Geschonneck schilderte zu Beginn der 14-stündigen Mammutsitzung unter der Leitung von Kai Gottschalk (AfD), wie ihnen von dem Unternehmen „erhebliche Hürden und Hindernisse“ aufgebaut worden seien. Unterlagen seien zu spät geliefert worden, Terminvereinbarungen geplatzt. Er sprach von zahlreichen Untersuchungshemmnissen.

Vor dem Ausschuss schilderte der Wirtschaftsinformatiker, wie sein zeitweise 40-köpfiges Team angeblichen Konten und Kunden von Wirecard in Asien nachgespürt habe. Für deren Existenz habe es „keine ausreichenden und angemessenen Nachweise“ etwa für Umsatzerlöse, Überweisungen oder Händlerbeziehungen gegeben, wie er immer wieder betonte. Er berichtete von einer Reise im März nach Manila, wo die KPMG-Untersucher Belege sichern wollten. Wirecard arbeitete dort nach eigenem Bekunden mit Drittanbietern zusammen. In zwei Bankfilialen sei ihnen nur mündlich versichert worden, dass es Konten gebe, die ein Treuhänder für Wirecard eingerichtet habe. Zugesagte schriftliche Unterlagen seien nie übergekommen.

Im April dieses Jahre schloss die KPMG ihren Untersuchungsbericht ab. Am 22. April meldete sich der damalige Vorstandschef Markus Braun mit einer Pressemeldung zu Wort, in der er sich von den grassierenden Vorwürfen entlastet sah. Es habe keine substantiellen Feststellungen gegeben, aus denen sich ein Korrekturbedarf für die Jahresabschlüsse 2016 bis 2018 ergeben habe. Das sahen die Sonderuntersucher ganz anders. Deren Bericht stellte Wirecard am 27. April ins Netz. Geschonneck: „Wir haben einfach die Fakten für sich sprechen lassen.“ Hätte das Unternehmen den Bericht nicht veröffentlicht, hätte es KPMG selbst getan. Das hatte sich die Prüfgesellschaft bei Auftragsübernahme vertraglich zusichern lassen - unüblich, aber vorsorglich.

Am Ende gestand Wirecard selbst Luftbuchungen über 1,9 Milliarden Euro ein: der größte Betrug in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, ob das Unternehmen seit 2015 nur noch Scheingewinne ausgewiesen habe. Seit Jahresmitte ist es insolvent. Der Schaden für Aktionäre geht in die Milliarden. Ob Aufsichtsbehörden zu sehr weggesehen haben: Dies vor allem will der Untersuchungsausschuss herausfinden.

Marginalspalte