Pro und Contra zur Reform der juristischen Ausbildung
Berlin: (hib/MWO) Zwei Anträge zur Weiterentwicklung der juristischen Ausbildung waren Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Freitag. In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten 122. Sitzung des Gremiums nahmen die acht Sachverständigen Stellung zu dem Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Rechtsstandort Deutschland stärken - Juristische Ausbildung an das digitale Zeitalter anpassen“ (19/23121) und dem Antrag der Fraktion Die Linke unter der Überschrift „Juristische Ausbildung reformieren, Transparenz und Qualität erhöhen, Chancengleichheit gewährleisten“ (19/24643). Hirte verwies in diesem Zusammenhang auf einen seit Mitte November vorliegenden Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften, wonach schriftliche juristische Prüfungen künftig auch elektronisch durchgeführt werden sollen und ein Teilzeitreferendariat ermöglicht werden soll.
Die Sachverständigen bewerteten die Anträge in ihren schriftlichen Stellungnahmen differenziert. Heribert Anzinger von der Universität Ulm erklärte, digitale Geschäftsmodelle und der Bedeutungszuwachs von Daten und elektronischer Kommunikation und Prozessführung seien Herausforderungen für die Fortentwicklung des Rechts, die aber im bestehenden Kanon der juristischen Ausbildung gut bewältigt werden könnten. Etwas anderes gelte für die möglichen Einflüsse der Digitalisierung und eines Bedeutungszuwachses statistischer Methoden auf den Prozess der Rechtsfindung selbst. Hier seien Impulse zur Stärkung der Innovationsfähigkeit der juristischen Ausbildung geboten, die auch vom Bundesrecht ausgehen müssten.
Auch nach Ansicht von Michael Beurskens von der Universität Passau ist eine Klarstellung zur Berücksichtigung der Digitalisierung in den Pflichtfächern nicht erforderlich. Die klarstellende Aufnahme von für alle Studierenden notwendigen Kompetenzen in Fragen der Digitalisierung sei jedoch zu befürworten. Um die Juristenausbildung attraktiv zu gestalten, sei die Einführung der Klausurbearbeitung am Computer geboten. Ein konkreter Handlungsbedarf im Hinblick auf integrierte Bachelorabschlüsse bestehe nicht, und auch eine bundesweite Regelung zum Teilzeitreferendariat sei nicht geboten.
Barbara Dauner-Lieb, Universität zu Köln, erklärte, es werde kaum noch bestritten, dass die juristische Ausbildung und vor allem die Praxis des Examens in verschiedenen Punkten reformbedürftig sind. Allerdings überzeichneten Charakterisierungen als „aus der Zeit gefallen“, „nicht sehr studierendenfreundlich“, „fehlende Transparenz und Chancengleichheit“ wie im Antrag der Linken den Zustand der Juristenausbildung. Trotz aller Kritik und Probleme im Detail gewährleisteten die beiden Staatsexamen eine solide Qualitätssicherung des Nachwuchses der reglementierten juristischen Berufe.
Martin Groß, Präsident des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes Berlin-Brandenburg, betonte, bei der Entscheidung, in welcher Form die Digitalisierung in die juristische Ausbildung zu integrieren ist, sei die gesamte Ausbildung in den Blick zu nehmen: das Studium und das Referendariat, darüber hinaus die Fortbildung parallel zur beruflichen Praxis. Die Anwaltsakademie und die Richterakademie leisteten hier ebenfalls Beachtliches. Er halte daher die Anregungen zur Ergänzung des Richtergesetzes für entbehrlich.
Sven Hasenstab vom Deutschen Anwaltverein (DAV) erklärte, die Diskussion zu der Frage, wie es gelingen kann, die fortschreitende Digitalisierung des Rechts auch in die juristische Ausbildung zu integrieren, werde begrüßt. Die Einführung eines Fachs „Digitalisierung des Rechts“ im Grundstudium sei wünschenswert. Auch sonst sei der DAV gegenüber weiteren Anpassungen des Ausbildungssystems grundsätzlich aufgeschlossen, sofern darin keine Abkehr vom Staatsexamen und von der stärkeren Praxisorientierung liege. Der DAV begrüße es, dass das Thema „Legal Tech“ nunmehr auch stärker in den Fokus der juristischen Ausbildung gerückt werden soll. Der Vorschlag, Prüfungsleistungen künftig auch digital erbringen zu können, werde unterstützt.
Nach Ansicht von Elisa Hoven von der Universität Leipzig ist das erste juristische Staatsexamen dringend reformbedürftig. Das derzeitige Prüfungssystem honoriere Auswendiglernen und unreflektiertes „Runterschreiben“ und nicht ein grundlegendes Verständnis des juristischen Denkens und Arbeitens. Der Antrag der Links-Fraktion sei daher sehr zu begrüßen. Auch der Antrag der Fraktion der FDP verdiene Zustimmung. Der Digitalisierung werde in Zukunft eine entscheidende Bedeutung zukommen. Die schriftlichen Prüfungsleistungen sollten, dem Antrag der Linken folgend, künftig ebenfalls digital erbracht werden.
Sebastian Omlor von der Philipps-Universität Marburg verwies auf eine Studie, wonach die Studierenden und Rechtsreferendare und -referendarinnen den größten Nachholbedarf für ihre Ausbildung im Bereich des Rechts der Digitalisierung sehen. Genau dort sollte auch der Schwerpunkt einer Reform der juristischen Ausbildung liegen. Dem Klausurschreiben per Computer in den juristischen Staatsprüfungen stünden keine grundsätzlichen Bedenken entgegen. Zur Frage eines in die Ausbildung integrierten Bachelors erklärte Omlor, der Bund könne dies bereits mangels Zuständigkeit nicht vorschreiben.
Anne Sanders von der Universität Bielefeld erklärte, eine Integration der technischen Entwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Rechtsanwendung sei dringend geboten. Die von der FDP vorgeschlagene Gesetzesänderung hätte allerdings allein eher klarstellende Symbolwirkung. Auch Sanders hält die negative Bewertung der Juristen- und Juristinnenausbildung im Linken-Antrag für übertrieben. Das deutsche juristische Staatsexamen sichere eine vergleichsweise hohe Qualität der juristischen Ausbildung, die von der Praxis geschätzt werde. Trotzdem seien Reformen angezeigt. So würde sie die Einführung von Bachelorabschlüssen begrüßen.