Modus des Online-Zugangs zu Verwaltungen umstritten
Berlin: (hib/FLA) Die Einführung der Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennzeichen für den Online-Zugang zu öffentlichen Stellen insgesamt ist unter Experten umstritten. Dies hat sich gezeigt, als Sachverständige bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz, 19/24226) bewerteten. In der Sitzung unter der Leitung von Andrea Lindholz (CSU) ging es am Montag auch um Anträge der FDP-Fraktion (19/24641) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/25029).
Ariane Berger von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erklärte, die Verbände trügen die Einführung einer einheitlichen Identifikationsnummer zur eindeutigen Zuordnung der betroffenen Person dem Grunde nach mit. Möglich, wenn auch nicht zwingend, sei dabei die Steuer-ID. Der Verzicht auf die Einführung bereichsspezifischer Identitäten erfordere freiheitssichernde Maßnahmen. Die vom Bund vorgeschlagenen verfahrensmäßigen, organisatorischen und technischen Sicherungen genügten grundsätzlich den verfassungsmäßigen Anforderungen. Die zügige Umsetzung des Gesetzesvorhabens sei Voraussetzung für eine gelingende Digitalisierung der Verwaltung.
Die Juristin Kerstin Bock meinte, im Zentrum der Registermodernisierung sollte nicht allein die Effizienz, sondern die Gewährleistung von moderner, demokratiefester und grundrechtsverträglicher Verwaltung stehen. Dies lasse der Entwurf noch nicht erkennen. Mit der Steuer-ID als lebenslanger, bereichsübergreifender Identifikationsnummer werde ein Damm gebrochen, den aller Voraussicht nach das Bundesverfassungsgericht wieder werde flicken müssen. Verfassungsrechtlich und datenrechtlich sei das Vorhaben nicht zu rechtfertigen. Eine einheitliche Registrierungsnummer für alle Register sei auch nicht erforderlich.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, machte geltend, dass die Steuer-ID allein kein tragfähiges Fundament für den geplanten Einsatz als Personenkennzeichen sei. Ein solches Kennzeichen, das in dieser Art sowohl bereichsübergreifend als auch einheitlich gestaltet sei, sei mit der Verfassung nicht vereinbar. Es schaffe ein system-inhärentes, übermäßiges Risiko der Katalogisierung der Persönlichkeit und biete, auch mit den im Gesetzentwurf geplanten Maßnahmen zur technischen Absicherung, keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch sowohl nach innen als auch nach außen. Mit bereichsspezifischen Kennzeichen gebe es eine moderne Alternative.
Kai von Lewinski (Universität Passau) lenkte den Blick darauf, dass eine Personenkennziffer ein mächtiges Mittel für die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Lebensbereichen, Verwaltungssektoren und sozialen Rollen darstelle. Dies würde dann das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen ermöglichen. Er sprach vom „Gottseibeiuns des Datenschutzrechts“. Doch er riet zu einer differenzierten Betrachtung des Gesetzentwurfs. Bei der verfassungsrechtlichen Analyse sei zwischen dem Personenkennzeichen und dem Persönlichkeitsprofil zu unterscheiden. Nur das Persönlichkeitsprofil bilde eine absolute Grenze für die Verdatung von Menschen. Doch dazu führe der Gesetzentwurf zur Einführung einer Identifikationsnummer nicht.
Peter Parycek (Fraunhofer Focus-Institut und Donau-Universität Krems) sagte, keiner wolle ein digitales Persönlichkeitsprofil, das der Staat auf Knopfdruck abrufen könne, wie es in der Wirtschaft passiere. Das sei eine absolute Horrorvorstellung für den demokratischen Rechtsstaat. Die Verhinderung einer Identifikationsnummer habe aber heutzutage keine Schutzwirkung mehr, weil so viele Datenpunkte verspeichert seien. Das einzig Entscheidende sei der Zugang zu den Daten. Wer den habe, könne über Datenanalysewerkzeuge sehr schnell eine hohe Wirkung erzielen - je nach Datenpunkten von 50 bis 70 Prozent. Mithin komme es darauf an, den Zugang zu den Datenbeständen geringzuhalten.
Eike Richter (Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg) wies als Ausgangspunkt darauf hin, dass es um die Modernisierung der Verwaltung gehe und die Möglichkeit, dabei die Digitalisierung zu nutzen. Viele Anläufe seien in der Vergangenheit nicht zum Erfolg gekommen. Deshalb sei der Gesetzentwurf grundsätzlich zu begrüßen, weil die Verknüpfung der Register einen wichtigen Schritt darstelle, die Potenziale der Digitalisierung für die Verwaltung zu nutzen. Richter sah keine Bedenken, die die Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens als absolut ausgeschlossen erscheinen ließen. Er riet zu einer Befristung des Gesetzes.
Christoph Sorge (Universität des Saarlandes) stellte fest, der Gesetzentwurf führe dazu, dass die Steuer-ID zu einem allgemeinen Personenkennzeichen werde. In der vorgesehenen Ausgestaltung sei ein solches allgemeines Personenkennzeichen verfassungswidrig. Die ins Auge gefassten Schutzmaßnahmen auch gegen Cyber-Angriffe seien lückenhaft. Die Einführung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil alternative Modelle mit bereichsspezifischen Personenkennzeichen existierten - beispielsweise in Österreich.