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16.12.2020 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 1395/2020

Experten für Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Berlin: (hib/MWO) Die von der Bundesregierung geplante Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts stand im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. Ein ensprechender Gesetzentwurf (19/24445) und ein Antrag der FDP-Fraktion, mit dem die selbstbestimmte Vorsorge in Gesundheitsangelegenheiten gestärkt werden soll (19/24638), standen auf der Tagesordnung der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung. Die eingeladenen neun Sachverständigen setzten sich in ihren Stellungnahmen detailliert mit dem komplexen Entwurf auseinander und bewerteten ihn überwiegend positiv.

Laut Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB), markiert das aktuelle Gesetzesvorhaben den bisher weitreichendsten Reformprozess seit dem Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige von 1990. Die Vorschläge brächten für alle Betreuer und Betreuerinnen, Betreuungsvereine, Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichte zum Teil weitreichende Änderungen mit sich. Trotz Kritik an mehreren Punkten begrüße der BdB die vorgeschlagenen Änderungen, die die Rechte der Menschen im Betreuungsverfahren und in der Betreuung stärkten, in weiten Teilen.

Sabine Bernot von der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte erklärte, das Gesetzesvorhaben sei ein wichtiger Schritt in Richtung der Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Den strengen menschenrechtlichen Vorgaben nähere man sich damit weiter an. Die Monitoring-Stelle begrüße die Stärkung von Selbstbestimmung und Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen vor und während einer rechtlichen Betreuung im Sinne der Konvention. Wille und Wünsche der betreuten Person als Maßstab für die Unterstützung würden deutlicher herausgestellt.

Dies hoben auch Kerrin Stumpf, Geschäftsführerin des Hamburger Elternvereins Leben mit Behinderung, und der Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer, Walter Klitschka, hervor. Stumpf schlug zudem eine Reihe von Änderungen bei Schwerpunkten wie dem Recht der Betroffenen auf eigene Entscheidungsfindung, dem Verbot der Sterilisation und der Sicherung der Betreuungsvereine vor. Klitschka betonte die Notwendigkeit der Anerkennung des Berufs neben der ehrenamtlichen Tätigkeit. Es wäre wünschenswert gewesen, den Beruf einschließlich eines Ausbildungsganges im Gesetz zu verankern. Zudem erschließe sich dem Verband die Ungleichbehandlung von freien Berufsbetreuern und Vereinsbetreuern nicht.

Hülya Özkan, Leiterin eines Betreuungsbüros in Bielefeld, erklärte, der Entwurf zum Betreuungsrecht sei im Großen und Ganzen gelungen und regele Punkte, die schon seit langem überfällig gewesen seien. So werde klargestellt, dass ein Betreuer einen Betreuten nur vertritt, wenn dies erforderlich ist. Mit dem Wegfall des Aufgabenkreises „Alle Angelegenheiten“ werde die Entmündigung von Betreuten abgeschafft. Wünschenswert wäre eine weitere Eingrenzung der einzelnen Aufgabenkreise gewesen. Anzumerken sei, dass die Betreuer durch den Entwurf mit Mehrarbeit überhäuft würden, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten.

Das in dem Entwurf ebenfalls vorgesehene Ehegatten-Vertretungsrecht in Angelegenheiten der Gesundheitssorge sieht Özkan zwiespältig. Es sei grundsätzlich gut, dass ein Ehepartner das Recht bekommt, für den anderen zu entscheiden. Dies sollte aber über eine Vorsorgevollmacht oder einer Bestellung des Partners als rechtlicher Betreuer geschehen. Auch Brigitte Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnenbund nahm Stellung zu diesem Punkt des Entwurfs, der unabhängig von der Reform sei und an dieser Stelle überrasche. Auf die Einführung der gegenseitigen gesetzlichen Vertretung durch Ehepartner- und Ehepartnerinnen im Bereich der Gesundheitssorge sei ihrer Meinung nach zu verzichten, da ausreichend Möglichkeiten und Instrumentarien zur Verfügung stünden. Ein Bedarf sei nicht erkennbar. „Zweifelhaften Einsparungsmodellen“ könne in diesem Zusammenhang keine Priorität zukommen.

Heike Berger vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) bezog sich in ihrer Stellungnahme ausschließlich auf die Vormundschaft für Minderjährige. Der SkF begrüße den Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschaftsrechts als wichtigen Schritt, die Rechte der Kinder und Jugendlichen unter Vormundschaft zu stärken und die Verbesserung und Gewährleistung der unabhängigen Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen durch Vormunde beziehungsweise Pfleger und Pflegerinnen voranzutreiben. Eine Ersetzung des Begriffs Mündels hätte dies noch bestärken können. Der SkF halte es für dringend notwendig, mittelfristig eine auskömmliche Finanzierung der durch Vereine geführten Vormundschaften zu schaffen. Berger kritisierte eine ihrer Ansicht nach mit dem Entwurf verbundene Schwächung der Vormundschaftsvereine.

Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag, die die Kommunalen Spitzenverbände vertrat, verwies darauf, dass die Reform des Vormundschaftsrechts in jedem Fall einen höheren Aufwand für die für das Vormundschaftswesen zuständigen Mitarbeiter in den Landkreisen und Städten mit sich bringen werde. Die zu erwartende höhere personelle Belastung wie auch zusätzliche Verfahrensschritte würden auch finanzielle Auswirkungen haben. Die Mehrbelastungen müssten durch die Länder ausgeglichen werden.

Tim Otto, Richter am Amtsgericht Kiel, erklärte, die Regelungen des Entwurfs seien aus Sicht des Praktikers eine solide juristische Arbeitsgrundlage, auch wenn hinsichtlich einzelner Normen abzuwarten sein werde, wie ihre konkrete Anwendung in der Praxis erfolgt. Sorge bereite eine mehr oder minder offenkundig unrealistische Beschreibung des Erfüllungsaufwandes der Verwaltung.

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