Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Berlin: (hib/ROL) Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, bezeichnete die deutsche EU-Ratspräsidentschaft als Erfolg. Das unterstrich sie am Mittwoch vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung. Die deutsche Präsidentschaft endet nach sechs Monaten am 31. Dezember 2020. Karliczek hob dabei das Leitmotiv der Ratspräsidentschaft „Bildung und Forschung für ein nachhaltigeres widerstandsfähigeres und souveränes Europa“ hervor. Die Corona-Pandemie habe in großem Maß Stärken und Schwächen Europas aufgezeigt. Es habe sich jedoch in allen Diskussionen gezeigt, dass Deutschland und Europa aus dieser Krise nur mit mehr Kreativität, mehr Entschlossenheit und am Ende vor allem mehr Gemeinsinn heraus kommen. Bildung, Forschung und Innovation seien dabei Schlüsselfaktoren und entsprechend seien diese Themen bei der Ratspräsidentschaft weit ins Zentrum gerückt. Es sei trotz der Pandemie gelungen, wichtige Themen wie den Klimaschutz weiterhin in den Vordergrund zu stellen und auch den mittelfristigen Finanzrahmen auf den Weg zu bringen. Karliczek sagte: „Am Ende hat sich gezeigt, dass Europa zusammensteht.“ Als weitere Themen der Ratspräsidentschaft nannte sie den Green Deal, die Schaffung einer Wasserstoffwirtschaft zur Produktion von grünem Wasserstoff, das Thema „beste Bildung“ und Weiterbildung von Erwachsenen auch im fortgeschrittenen Alter und den Bereich der technischen Souveränität Deutschlands und Europas.
Karliczek betonte zudem den Erfolg und die gute Zusammenarbeit mit Portugal und Slowenien. Am 1. Juli hatte nicht nur Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, sondern es war auch der Startschuss für eine besondere Allianz mit Portugal und Slowenien - eine Trio-Ratspräsidentschaft. Die drei Länder übernehmen nacheinander folgend den Vorsitz des Rates der EU. Die Idee der Trio-Präsidentschaft ist, dass sich die drei Staaten während ihrer Präsidentschaften eng miteinander abstimmen und gemeinsame, nachhaltige Akzente setzen. Karliczek betonte, wie eng und zielführend die Zusammenarbeit sei. Als Beispiel nannte sie eine grenzüberschreitende Forschung zur Gesundheitsvorsorge und zur Impfstoffentwicklung, wie auch die Osnabrücker Erklärung zur „exzellenten Berufsbildung“ in Europa. Die Erklärung vom September 2020 zielt unter anderem auf die Hervorhebung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.
Zudem sei der europäische Forschungsraum weiter entwickelt worden, der exzellentes Forschungspotential biete, sagte die Ministerin. Aber die Zusammenarbeit weise mit seinem Innovationspotential über Europa hinaus. Dabei unterstrich sie die Relevanz der Verteidigung der gemeinsamen europäischen Werte. Die Forschungsfreiheit stünde mittlerweile immer wieder innerhalb und außerhalb Europas unter Druck. Dabei betonte sie - wie später auch die Vertreter der SPD und FDP - den Wert der Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit vom 20. Oktober 2020, mit dem ein deutliches Signal gesetzt worden sei. Sie machte auch mit Blick auf die Pandemie deutlich, dass man nur mit der transnationaler Gesundheitsforschung Fortschritte erzielen könnte, und stellte die schnelle Entwicklung des Impfstoffes gegen COVID 19 von dem in Deutschland ansässigen Unternehmen BioNTech auch als europäischen Erfolg dar. Karliczek sagte: „Das kann kein Land allein.“ Dem widersprach im weiteren Verlauf der Sitzung vor allem der Vertreter der AfD. Er betonte, dass dies doch vor allem in erster Linie ein deutscher Erfolg sei, da BioNTech national gefördert worden sei.
Der Vertreter der CDU betonte, dass sich seine Fraktion sehr darüber gefreut habe, dass die Bundesregierung das Thema Bildung, Forschung und Innovation ganz oben auf die Agenda der EU-Ratspräsidentschaft gestellt habe. Zudem lobte er die Akzentsetzung in der stärkeren Zusammenarbeit im europäischen Bildungsraum. Der Vertreter der SPD unterstrich, dass er den Eindruck habe, dass die Entwicklungen in der Europäischen Union jedoch nicht nur einheitlich seien. Positiv wertete er unter anderem die Einigung über den mittelfristigen Finanzrahmen und die Osnabrücker Erklärung zur Weiterbildung, machte aber auch deutlich, dass der Impuls zur europäischen Hochschule noch nicht ausreichend aufgegriffen worden sei, die der französische Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hatte.
In Anknüpfung an das Thema der Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit ging ein Vertreter der FDP-Fraktion auf die Einschnitte innerhalb der Europäischen Union, nämlich in Ungarn, ein. Dort sei seit 2008 die Zulassung zum Studiengang Gender-Studies gestrichen worden und hinzu käme nun, dass Homosexuellen untersagt werde, Kinder zu adoptieren.
Eine Vertreterin der Linken fragte, ob die bereitgestellten Gelder für Forschung und Innovation in der EU reichen würden, da eigentlich drei Prozent der Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Innovation in Europa angestrebt worden seien. Momentan liege der Wert lediglich im Durchschnitt bei etwas über zwei Prozent.
Ein Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen sagte: „Die EU-Ratspräsidentschaft ist mit wenig Ambitionen für die Weiterentwicklung des Kontinents gestartet und dementsprechend fällt auch die Abschlussbilanz aus.“ Die Pandemie habe natürlich alle sehr gefordert, könne aber nicht als Erklärung für alles dienen. Er kritisierte die Kürzung des europäischen Forschungsrahmenprogramms. Die Mittel sollen für den Haushalt 2021 bis 2027 um insgesamt 13,5 Milliarden Euro gekürzt werden.