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19. Mai 2017 Presse

Wehrbeauftragter: „Nicht so extrem besorgniserregend“
Interview mit der Zeitung „Das Parlament“

Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“  (Erscheinungstag: 22. Mai 2017)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –


Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, beurteilt die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeleiteten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr zurückhaltend und warnt davor, die Truppe unter einen Generalverdacht zu stellen. „Man kann das alles machen. Aber man muss den Soldaten dann deutlich erklären, dass damit kein generelles Misstrauensvotum verbunden ist“, sagte Bartels in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 22. Mai 2017). „Was die Truppe im Moment belastet, ist das verbreitete Gefühl, unter eine Art Generalverdacht gestellt zu sein.“ Bei den Durchsuchungen der Kasernen in den vergangenen Tagen seien 41 Funde von möglichen Wehrmachtsdevotionalien gemeldet worden, bei 250.000 Menschen in der Bundeswehr finde er dies „nicht so extrem besorgniserregend“. Rechtsextremismus sei „gewiss nicht das Zentralproblem unserer Bundeswehr“, sagte Bartels. Er gehe davon aus, dass der Anteil von Rechtsextremisten in der Truppe „sogar eher niedriger ist als in der ganzen Gesellschaft“.


Das Interview im Wortlaut:

Der Fall der Oberleutnants Franco A. hat eine öffentliche Debatte über Rechtsextremismus in der Bundeswehr ausgelöst. Nach Ihren Worten übt die Truppe eine starke Anziehungskraft auf Rechtsextremisten aus. Heißt das umgekehrt, dass in der Bundeswehr überproportional mehr Rechtsextremisten anzutreffen sind als in der Gesellschaft?
Nein. Es gibt dazu zwar keine belastbaren empirischen Studien, aber ich gehe davon aus, dass der Anteil von Rechtsextremisten eher sogar niedriger ist als in der ganzen Gesellschaft. Die Bewerber durchlaufen ja ein Einstellungsverfahren, zukünftig werden sie auch gleich zu Anfang einer Sicherheitsüberprüfung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) unterzogen. Trotzdem gibt es natürlich keine 100-prozentige Garantie dafür, dass jeder Rechtsextremist erkannt und von vorneherein aussortiert wird. Deshalb muss auch im alltäglichen Dienst auf solche Tendenzen geachtet werden. Und wenn sich da ein Soldat als Rechtsextremist entpuppt, dann kann es nur eine Konsequenz geben – er muss entlassen werden. Wer die demokratische Ordnung bekämpft, hat bei den Verteidigern der Freiheit nichts zu suchen!

Im Fall Franco A. hat aber genau dies ja nicht funktioniert. Drückt die Bundeswehr bei der Einstellung von Soldaten wegen ihres Nachwuchsmangels eventuell zu oft ein Auge zu?
Die Bundeswehr hat im Moment sicherlich ein Nachwuchsproblem, aber hinsichtlich des Themas Rechtsextremismus sehe ich da aktuell keinen Trend. Natürlich weiß man in der Bundeswehr seit 60 Jahren, dass man aufpassen muss, weil Rechtsextremisten Uniformen, Waffen, Hierarchien besonders attraktiv finden. Deshalb bleibt Wachsamkeit geboten. Ich zitiere an dieser Stelle gerne den Heeresinspekteur, Generalleutnant Jörg Vollmer, der gesagt hat: „Verschweigen, Weghören, Wegschauen ist falsch verstandene Kameradschaft, Eingreifen und Verhindern eine Frage der Ehre.“ Im Fall Franco A. fehlte das frühzeitige Eingreifen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat auch in anderen Zusammenhängen eine mangelnde Fehlerkultur in der Truppe angemahnt. Müssen die Soldaten denn befürchten Nachteile zu erleiden, wenn sie Dinge melden, die aus dem Ruder laufen?
Ich hoffe und glaube, dass viel Zivilcourage in der Truppe ist. Und wenn es doch Nachteile gibt, dann können und sollten sich die Soldaten an den Wehrbeauftragten wenden. Tatsächlich beziehen sich die Eingaben der Soldaten aber fast durchweg auf andere Probleme als Rechtsextremismus.

Bei Aussetzung der Wehrpflicht ist davor gewarnt worden, dass damit ein Kernstück der demokratischen Kontrolle verloren gehen könnte. Teilen Sie diese Befürchtung hinsichtlich der aktuellen Diskussion?
Nein, da sehe ich keinen Zusammenhang. In den meisten Fällen von Rechtsextremismus, sexuellen Übergriffen oder Schleifermethoden, über die wir im Augenblick diskutieren, haben wir es mit Soldaten zu tun, die schon länger in der Bundeswehr dienen und bereits vor Aussetzung der Wehrpflicht zur Truppe gekommen sind – auch Franco A.. Deutschland hat heute die demokratischste Armee seiner Geschichte. Die Soldaten sind gut in die Gesellschaft eingebunden, sei es in Sportvereinen, sei es in der Soldatengewerkschaft oder in Parteien oder Kommunalparlamenten. Die Bundeswehr ist kein Staat im Staate, sondern eine Armee der Demokratie.

In den Berichten des Wehrbeauftragten spielte das Thema Rechtsextremismus zwar immer eine Rolle, aber keine zentrale. Ist das Problem nicht so groß wie die derzeitige Diskussion nahelegt oder ist es vernachlässigt worden?
Rechtsextremismus ist ein Dauerthema in den Jahresberichten, aber heute gewiss nicht das Zentralproblem unserer Bundeswehr. Wir bekommen die Zahlen über gemeldete rechtsextremistische Vorfälle vom Ministerium mitgeteilt und veröffentlichen diese, zuletzt: 63. Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen. Die darüber hinaus vom MAD bearbeiteten Verdachtsfälle sind nach Aussetzung der Wehrpflicht und der erneuten Verkleinerung der Bundeswehr nach den Zahlen des Ministeriums sogar deutlich gesunken. Bei der Durchsuchung sämtlicher 400 Bundeswehrliegenschaften in den letzten Tagen wurden insgesamt 41 Funde von möglichen Wehrmachtsdevotionalien gemeldet – was ich bei 250.000 Menschen in der Bundeswehr nicht so extrem besorgniserregend finde. Was die Truppe im Moment belastet, ist das verbreitete Gefühl, unter eine Art Generalverdacht gestellt zu sein.

Verteidigungsministerin von der Leyen will jetzt verstärkt gegen Rechtsextremismus in der Truppe vorgehen. Die Kasernen wurden durchsucht, die Kasernennamen sollen überprüft werden, der Traditionserlass und die Prinzipien der Inneren Führung überarbeitet werden. Ist das Zwangsaktionismus oder angebracht?
Man kann das alles machen. Aber man muss den Soldaten dann deutlich erklären, dass damit kein generelles Misstrauensvotum verbunden ist. Nicht ganz leicht. Neben das Bild von Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform, das jetzt an der Bundeswehr-Universität in Hamburg abgehängt wurde, hätte einfach ein kleiner einordnender Text gehört. Auch in meinem Büro hängt ein Bild von einem Soldaten in Wehrmachtsuniform – es zeigt den Kopf des militärischen Widerstandes gegen Hitler, Henning von Tresckow...

... unverdächtig und Teil der Traditionspflege in der Bundeswehr ...
Ja, aber ich habe trotzdem neben das Bild ein kleines Schild mit einer Erklärung zu seiner Person gehängt, um jedes Missverständnis auszuschließen.

Als Beleg für eine verfehlte Traditionspflege wird von Kritikern immer wieder die Benennung von Bundeswehrkasernen angeführt.
Viele Kasernen trugen lange Zeit die Namen von Soldaten der Wehrmacht, darunter auch glühende Nationalsozialisten. Dazu gab es entsprechende „Traditionsräume“. Darüber hat es dann nach und nach öffentliche, klärende Diskussionen, auch in der Truppe selbst, gegeben. Die Gründung der Bundeswehr war ja von Anfang an mit der politischen Entscheidung verknüpft, dass die neuen deutschen Streitkräfte eben keine Wiederbelebung der Wehrmacht sein sollten. Deshalb gibt es die Prinzipien der Inneren Führung, und als „Staatsbürger in Uniform“ stehen den Soldaten alle staatsbürgerlichen Rechte zu. Sie sind Teil unserer Demokratie. Bundestag und Bundeswehr sind im demokratischen Deutschland auf besondere Weise, zum Beispiel auch durch das Amt des Wehrbeauftragten, miteinander verbunden. Deshalb sprechen wir von einer „Parlamentsarmee“. Der lange Abschied von Wehrmachtstraditionen müsste jetzt eher in die Schlussphase eingetreten sein. Es gibt noch etwas mehr als eine Handvoll Kasernen, deren Namen revisionsbedürftig sein dürften. Gleichzeitig hat sich die Bundeswehr in ihrer 60-jährigen Geschichte längst eigene Traditionen aufgebaut – auch mit herausragenden soldatischen Einzeltaten in den Einsätzen. Und mit einer beispielhaften Kooperation in der Nato und mit den europäischen Partnern. Da wird es nicht schwer sein, heute auch einen Namensbezug zu dieser jüngeren Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts herzustellen.

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